Content Marketing wird zum Feind: PR-Ethikrat sieht Glaubwürdigkeit der Kommunikations- und Medienbranche in Gefahr
„Unzulässige Koppelungsgeschäfte und mangelnde Kennzeichnung von bezahlten Einschaltungen werden immer häufiger, neue Werbeformen wie Content-Marketing verdrängen den Journalismus.“ Das sind nur zwei Ergebnisse einer Studie des PR-Ethikrats. Vor allem durch die Digitalisierung würden die Grenzen zwischen PR, Werbung, Marketing und Journalismus immer mehr verschwimmen.“ Dieses Zitat aus einer Pressemeldung war im Standard vom 29.06.2016 zu lesen.
Gleich nach dem Download las ich die Studie, habe jedoch dabei die Lust am Lesen verloren, denn strukturierte Kommunikation geht wohl anders. Aber vielleicht ist das auch der Plan dieser PR-Ethikrat Studie, um vielleicht vom eigentlichen Thema abzulenken. Dennoch möchte ich diese Studie einer Bewertung unterziehen.
Die PR-Agentur ist tot – es leben die PR
Ja, die Grenzen zwischen PR, Werbung, Marketing und Journalismus verschwimmen immer mehr. Das hat damit zu tun, dass die Massenmedien immer weniger Massenmedien als solches sind und immer weniger klassische Journalisten beschäftigen und klassischen Journalismus betreiben können. Einer aktuellen Studie von Facebook zufolge informieren sich mittlerweile mehr als die Hälfte der US-Amerikaner über Facebook über aktuelle Themen und News. Sprich die eigene Peer-Group wird zum entscheidenden Nachrichtenfilter und nicht mehr die Massenmedien. Im deutschsprachigen Raum laufen gerade einige Kooperationen zwischen Tageszeitungen und Facebook mit dem Ziel, salopp formuliert, Nachrichten unter das Volk zu bringen. Ein weiterer wichtiger Hinweis darauf, wohin die Reise geht.
Diese Entwicklung entmachtet damit in vielerlei Hinsicht klassische Medien. Denn nur was in entsprechenden Netzwerken geteilt wird, hat noch Chancen gelesen zu werden und Relevanz zu erlangen. Es entstehen damit „Teilöffentlichkeiten“ abseits des Einflussbereiches der klassischen Massenmedien. Und damit wird klassische PR, die ja eigentlich darauf abzielt in den Medien so dazustehen, wie sich dass die Auftraggeber wünschen, langsam aber sicher obsolet.
Content Marketing als Schlüssel zum Erfolg
Dabei sieht der PR-Ethikrat Content Marketing als eine Entwicklung, die den klassischen Journalismus verdrängt. Ich verzichte nun darauf einzugehen, wie sehr sich bisher PR-Agenturen über ihre „guten“ Kontakte zu Journalisten definiert haben. Aber dieses Geschäft wird mehr und mehr obsolet, siehe oben.
Content Marketing ist wie wir aus unserer UWEB Serie wissen nichts anderes als, dass Unternehmen ihre Geschichten nun ohne Umwege über die Massenmedien direkt dem Kunden oder Interessenten erzählen – face2face sozusagen. Der mündige Konsument braucht keinen Mittler mehr, denn es geht nicht mehr um die Objektivität (ist es jemals beim Massenpublikum darum gegangen?), sondern um den Unterhaltungswert und die Emotionalität der Content Marketing Stories. Die Objektivität holt sich der Kunden dann über das Netz und schaut sich Reviews, Testberichte und Kundenbewertungen an. Vieles ist dabei mittlerweile auf YouTube zu finden und mit ein bisschen kritischer Distanz ist das persönliche Ergebnis meist besser also die Aussage des besten Journalisten. Klar der User muss dafür mehr Zeit investieren und wird in gewisser Weise selbst zum Recherche-Journalisten.
Hier zeigt sich wie erfolgreich Content Marketing geworden ist und welche Möglichkeiten noch darin stecken. Vielen Unternehmen ist das mittlerweile bewusst und damit fällt der Verzicht auf klassische PR leicht. Das steht sogar versteckt in der Langfassung der PR-Ethikrat Studie:
„Es erfolgt eine Verschiebung der Medienlandschaft und damit der Aufträge: Überwiegender Teil der Agenturen sind Web-Agenturen.“ (Anmerkung: Ob Web-Agenturen hier die richtigen Partner sind, das würde ich zumindest hinterfragen).
Die Studie zeigt viele interessante Aspekte auf, zum Beispiell die Abhängigkeit der Journalisten und Medien von Werbeeinschaltungen, die mangelhafte Vergütungen für Journalisten, das eindimensionale Durchsetzen von Machtinteressen und vieles mehr. Wobei die Bewertung all dieser Dinge als negative Entwicklung gesehen wird und damit eine heile PR-Welt voraussetzt, die so nicht existiert hat. PR war in meinen Augen noch nie ein ethisches Geschäft. Auch wird in der Studie ständig PR und Journalismus vermischt, als ob Journalismus ein Teil der PR ist.
PR-Ethikrat: Abgesang auf eine Zeit und ein Handwerk, das so nie existiert hat
PR 2.0 kommt meiner Meinung nach über lange Strecken ohne klassische PR-Agentur aus. Unterstützung brauchen die Unternehmen mehr auf der strategischen Seite und im Bereich des Storytellings, denn wie die Studie auch zum Schluss kommt: „Content Marketing wird wichtiger als echte PR (d.h. Medienarbeit mit echten Journalisten)“.
Die PR-Ethikrat Studie zeigt zwar in einigen Details einer Entwicklung weg von den klassischen Massenmedien auf, sucht aber die Schuld dann in einer Debatte auf der ethischen Ebene. Dabei wird übersehen, dass die Ursachen ganz woanders liegen und die aufgezeigten Details nur Folgen eine Entwicklung sind, die nichts mit PR oder Journalismus an sich aber sehr viel mit einer Veränderung in der Kommunikation jedes Einzelnen zu tun haben. Die Menschen sind vom Papier, vom Radio und vom Fernsehen auf das Internet umgestiegen und haben damit den Einflussbereich der klassischen Massenmedien verlassen.
Content Marketing ist eine mögliche Antwort auf das sich radikal verändernde Medienverhalten unserer Gesellschaft der zunehmenden „Teilöffentlichkeiten“. Ob es die richtige Antwort ist, dass wird sich noch zeigen. Derzeit ist es auf jeden Fall in vielen Fällen ein gangbarer Weg zum (Kommunikations-)Erfolg.
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Quellen:
http://derstandard.at/2000040083776/Public-Relations-Studie-Moral-oft-nicht-mehr-leistbar
http://www.prethikrat.at/