Wirtschaftskammerwahlrecht – Folge 5: Frau Löscher geht wählen
Wie die Organe der Wirtschaftskammer gewählt werden, erklären die ersten drei Artikel der Serie – die Kritik am Wahlrecht, der vierte und bislang letzte. Nun folgen ein Resümee und ein Beispiel. Zuerst die Urwahl
Jedes Mitglied der WKO ist zur Wahl aufgerufen. Die Unternehmer wählen die Vertreter ihrer Fachgruppen. Die Wahl ist allgemein, direkt, geheim – und jede Stimme zählt gleich. Die Fachgruppen sind die einzigen direkt gewählten Organe der WKO.
Der Fachverband
Erringt eine Wählergruppe in den (zum Fachverband passenden) Fachgruppen genügend Mandate, ist sie auch im Fachverband vertreten.
Spartenvertreter und Spartenkonferenz
Pro Sparte gibt es eine Spartenvertretung und eine Spartenkonferenz. Für die Verteilung der Mandate werden die Mandate der Fachgruppen herangezogen. Dieser „Umweg“ kommt Wählergruppen zugute, die in vielen Fachgruppen gewählt werden.
Das Wirtschaftsparlament
Das Wirtschaftsparlament besteht aus dem Präsidium und den Spartenvertretern. Im Wirtschaftsparlament der Bundeskammer sind zudem die neun Präsidenten der Landeskammern vertreten. Post festum dürfen unterrepräsentierte Wählergruppen zusätzliche Mandate entsenden.
Das (erweiterte) Präsidium
Das Präsidium besteht aus dem Präsidenten und seinen zwei Stellvertretern. Außerdem ist es möglich, Mitglieder zu kooptieren. Dem erweiterten Präsidium gehören noch die Spartenobmänner an. Wieder dürfen unterrepräsentierte Wählergruppen weitere Mandate entsenden.
Der WKO-Präsident
Der WKO-Präsident wird – wie seine Stellvertreter – vom Wirtschaftsparlament gewählt.
Kritik am Wahlrecht
Die Grüne Wirtschaft und der Sozialdemokratische Wirtschaftsverband (SWV) kritisieren das Wirtschaftskammerwahlrecht scharf. Tatsächlich ist es mehrheitsfördernd. Wählergruppen sind im Vorteil, wenn sie in fast jeder Fachgruppe antreten und Mandate erlangen. So ist der Mandatsanteil des ÖWB in den Spartenvertretungen und den Spartenkonferenzen höher, als ihr Stimmenanteil bei der Urwahl.
Frau Löscher geht wählen
Es folgt nun ein Beispiel mit einer fiktiven Unternehmerin, die wählt. Aber die Zahlen entspringen dem Ergebnis der Wirtschaftskammerwahl 2010:
Frau Löscher besitzt ein Reisebüro in der Stadtgemeinde Zwettl in Niederösterreich. Sie will wählen, doch sie ist noch unentschlossen. Die Grüne Wirtschaft oder den Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband (SWV).
Frau Löscher geht ins Wahllokal, blickt auf den Wahlkatalog und bemerkt: Die Grüne Wirtschaft tritt in der Fachgruppe der Reisebüros gar nicht an. Sie malt ihr „Kreuzerl“ also beim SWV. Zehn Mandate sind zu vergeben. Alle zehn entfallen auf den Wirtschaftsbund (ÖWB). Aber Frau Löscher hat Glück. Da der SWV zumindest 5% aller gültigen Stimmen erhält, stellt auch er ein Mandat.
Da der SWV auch in den anderen Fachgruppen der Sparte „Tourismus und Freizeitwirtschaft“ Mandate sammelt, zieht er in die Spartenvertretung und in die Spartenkonferenz ein. Der ÖWB ist jedoch dominant. Er erhält 80% aller gültigen Stimmen der Fachgruppen. In der Spartenkonferenz stellt der ÖWB 85% der Mandate – in der Spartenvertretung gar 90%.
Die Spartenvertreter aller sieben Sparten bilden den größten Teil des Wirtschaftsparlaments. Falls der SWV dort unterrepräsentiert ist, darf er weitere Mandate entsenden. Das Wirtschaftsparlament wählt den Präsidenten und seine Stellvertreter. Der WKO-Präsident der Bundekammer ist erneut ein Mitglied des ÖWB.
Frau Löscher hat gewählt.
Weitere Artikel aus unserer Serie zum Wirtschaftskammerwahlrecht
Das Wirtschaftskammerwahlrecht – Folge 8: Frau Leitz will kandidieren. » (erschienen am 19.11.2014)
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Quellen:
https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10007962
http://wko.at/wahl2010/Kandidaten.aspx?showcase=2&kammerid=3&meine=0