Letzte Folge zur WKO-Wahl 2015: Das alte WKO-Wahlrecht ist ramponiert
Veraltete Wahlkataloge, zugerechnete Stimmen, ein Wahlrecht, das Willkür in seiner Auslegung zulässt. Die WKO-Wahl brachte viel Neues und hat uns gleichzeitig alte Probleme klar vor Augen geführt.
Zugerechnete Stimmen:
Bei der Wirtschaftskammerwahl im Februar hat sich der Wirtschaftsbund (ÖWB) in Wien Stimmen des RfW zugerechnet, um so die psychologisch wichtige absolute Stimmenmehrheit zu verteidigen. Die absolute Mandatsmehrheit war ohnedies nie in Gefahr. Der Bundessprecher der Grünen Wirtschaft, Volker Plass nennt dieses Vorgehen „übelster Wahlschwindel“. Tatsächlich steht im WKO-Gesetz kein einziges Wort über die Zurechnung von Stimmen.
Der ÖWB und die Wirtschaftskammer Wien werden sich gedacht haben: Immerhin steht im Gesetz auch nicht, dass es verboten ist, sich Stimmen einer anderen Liste zurechnen zu lassen. Nichts desto trotz gebührt den Händlern dieses Stimmenbasars Dank. Sie haben der Öffentlichkeit vor Augen geführt, wie undemokratisch das WKO-Wahlrecht ist und wie willkürlich man es auslegen kann, ohne Folgen fürchten zu müssen.
Veraltete Wahlkataloge:
Dieser Paukenschlag war längst überfällig. Seit jeher blockt der Hegemon namens ÖWB jedes zarte Lüftchen, das auch nur ein wenig nach Wahlrechtsreform riecht, einfach ab. Was erschwerend hinzukommt: Seit dem Jahr 2005 werden nicht mal mehr die Wahlkataloge angepasst. Zur Erklärung: Der Fachorganisations-Wahlkatalog regelt, wie viele Mandate in den Fachorganisationen vergeben werden. Der Sparten-Wahlkatalog regelt, die Vertretung der Sparten in den 10 Wirtschaftsparlamenten.
Beide Wahlkataloge bilden nicht mehr die Realität ab, werden aber beibehalten, weil sie für den ÖWB von Vorteil sind. Dass viele Branchen in den letzten 10 Jahren einen starken Zuwachs an Mitgliedern verzeichnen konnten, wird beinhart ignoriert. Man könnte die zu vergebenen Mandate den Mitgliederzahlen und der wirtschaftlichen Bedeutung der Fachorganisation bzw. Sparte entsprechend anpassen. Doch der ÖWB will nicht.
Politisches Kalkül spielt mit:
Dabei sind die Forderungen die SWV, Grüne Wirtschaft und UNOS an ein demokratischeres Wahlrecht stellen ohnehin sehr bescheiden. Alle drei mokieren sich über die veralteten Wahlkataloge. Wie könnten sie auch nicht? Alle drei Fraktionen versprechen sich durch eine Anpassung der Wahlkataloge mehr Berücksichtigung der EPU – Stimmen nach denen sie alle trachten. Verziert wird die Forderung nach einem demokratischeren Wahlrecht mit den Worten: einfach, transparent und nachvollziehbar. Nur was heißt das?
Grundsätzlich sind sich alle Fraktionen einig, dass bei der WKO-Wahl nicht jede Stimme gleich gewichtet werden kann. Versicherungen, Banken und Industrie wären ansonsten nicht vertreten. Daher ist laut WKO-Gesetz für die Erstellung der Wahlkataloge – neben der Anzahl an Mitgliedern pro Sparte und Fachorganisation – auch die wirtschaftliche Bedeutung zu berücksichtigen.
Die wirtschaftliche Bedeutung wird in der Praxis aber willkürlich ausgelegt. Kein Wunder: denn die Zahlen der WKO zur wirtschaftlichen Bedeutung von Sparten und Branchen sind ebenso wenig in die Wahlkataloge mit eingeflossen, wie die eklatanten Veränderungen der Mitgliederzahlen.
WKO-Wahlrecht bleibt offenbar im Kern unverändert:
Aber selbst, wenn bei der nächsten WKO-Wahl in 5 Jahren die Wahlkataloge adaptiert würden, bleibt das Wahlrecht in seiner grundlegenden Form wohl dasselbe. Die Frage der Rechtmäßigkeit von zugerechneten Stimmen ist vielleicht bei der nächsten Wahl wieder Thema und liegt auch dann noch im Ermessen der WKO. Die Fraktionen sind mit alternativen Ideen zum Wahlrecht sehr zurückhaltend. Am weitesten prescht die Grüne Wirtschaft vor, die eine Direktwahl des Wirtschaftsparlaments fordert.
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