Höchstes Geburtendefizit seit Ende des Zweiten Weltkriegs – Demografie Teil 4
Bevölkerungswachstum 2023 deutlich geringer als im Jahr zuvor
Geburtenbilanz negativ – Fertilität auf Tiefstand – Wanderungsbilanz positiv
So könnte man die demografische Bilanz des letzten Jahres kurz zusammenfassen. Das mit der „positiven“ Wanderbilanz wird von vielen Meschen in diesem Land kritisch gesehen. Das ist nachvollziehbar, aber langfristiges Denken ist hier angesagt und die Steuerung der Zuwanderung ist wohl das dinglichere Thema als nur die nackten Zahlen. Doch schauen wir zuerst auf die Zahlen. Als Hauptquelle dient uns dabei statistik.at
Im Jahr 2023 ist die Bevölkerungszahl Österreichs um knapp 54.000 Menschen auf 9,16 Millionen gestiegen. Damit fiel der Zuwachs deutlich geringer aus als im Rekordjahr 2022 mit einem Plus von fast 126.000 Menschen. Ursache des Bevölkerungswachstums war auch 2023 ausschließlich die Zuwanderung. Insgesamt kamen 2023 knapp 67.000 Menschen mehr aus dem Ausland als Österreich verließen.
Geburtenbilanz zum vierten Mal negativ
Die Geburtenbilanz fiel hingegen bereits das vierte Jahr in Folge stark negativ aus: 2023 verstarben rund 12.000 Personen mehr, als zur Welt kamen. Das ist das höchste Geburtendefizit seit Ende des Zweiten Weltkriegs.
In der Bundeshauptstadt Wien gab es 2023 mit +1,2 % das stärkste Bevölkerungswachstum, gefolgt von Vorarlberg (+0,9 %) an zweiter Stelle. In Tirol und Salzburg (je +0,6 %) entsprach der Anstieg der Bevölkerungszahl in etwa dem österreichweiten Durchschnitt. Unterdurchschnittliche Zuwächse gab es in Oberösterreich (+0,5 %), in der Steiermark (+0,4 %), in Niederösterreich (+0,3 %) sowie im Burgenland (+0,2 %). Mit einem Plus von 0,1 % verzeichnete Kärnten den geringsten Bevölkerungsanstieg aller Bundesländer im Jahr 2023.
Tiefstand bei Geburten
Im Jahr 2023 wurden insgesamt 77 605 Kinder geboren, um 6,1 % weniger als 2022. Damit erreichte die absolute Zahl der Lebendgeborenen den niedrigsten Wert seit 2009, als in Österreich 76.344 Babys zur Welt kamen. Die Gesamtfertilitätsrate lag 2023 mit 1,32 Kindern pro Frau deutlich unter dem Vorjahreswert von 1,41 und sogar knapp unter dem bisherigen Allzeit-Minimum von 1,33 Kindern pro Frau aus dem Jahr 2001.
Vorarlberg ist Spitzenreiter
Bei der Gesamtfertilitätsrate waren 2023 erneut Vorarlberg mit 1,50 und Oberösterreich mit 1,45 Kindern pro Frau Spitzenreiter. Über dem Bundesdurchschnitt von 1,32 Kindern pro Frau lagen zudem Niederösterreich, Salzburg, Steiermark und Kärnten. Geringer war die Gesamtfertilitätsrate 2023 in Wien, im Burgenland und in Tirol (zwischen 1,17 und 1,31).
Lebenserwartung nahezu wieder auf Vor-Corona-Niveau
2023 verstarben insgesamt 89 760 Personen, um 3,8 % weniger als im Vorjahr. Damit lag die Zahl der Gestorbenen erstmals seit 2020 wieder unter der Marke von 90.000 Personen, aber nach wie vor auf deutlich höherem Niveau als in den Jahren 2015 bis 2019. Die Säuglingssterberate lag im Jahr 2023 bei 2,8 ‰. Die Lebenserwartung bei der Geburt stieg gegenüber dem Vorjahr sowohl bei den Männern mit 79,4 Jahren als auch bei den Frauen mit 84,2 Jahren um je 0,4 Jahre an. Damit erreichte die Lebenserwartung der Frauen wieder das Niveau vor Beginn der Corona-Pandemie und lag bei Männern nur mehr um 0,1 Jahre unter dem Wert von 2019.
Traditionelles West-Ost-Gefälle bei Lebenserwartung
Wurden Männer in Tirol, Vorarlberg und Salzburg im Mittel über 80,5 Jahre alt, lag ihre Lebenserwartung in der Steiermark, in Oberösterreich und im Burgenland zwischen 79,4 und 79,8 Jahren. In Wien, Niederösterreich und in Kärnten erreichten Männer hingegen im Durchschnitt nur ein Alter zwischen 78,6 und 79,0 Jahren.
Bei der Lebenserwartung der Frauen waren Kärnten, Vorarlberg und Tirol mit 84,7 bis 85,3 Jahren führend. In der Steiermark, in Oberösterreich und in Salzburg lag die Lebenserwartung der Frauen zwischen 84,4 und 84,6 Jahren, während die östlichen Bundesländer Wien, Niederösterreich und Burgenland Werte von 83,3 bis 84,3 Jahren aufwiesen.
Geburtenbilanz 2023 negativ
Die Geburtenbilanz, der Saldo aus Lebendgeborenen und Gestorbenen, fiel 2023 mit minus 12 155 zum vierten Mal in Folge seit 2020 negativ aus und erreichte den tiefsten Wert seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Allerdings ergaben sich deutliche Unterschiede in der Geburtenbilanz zwischen den Bundesländern: Wien (+823), Vorarlberg (+565) und Tirol (+119) erzielten, wie in den Vorjahren, Geburtenüberschüsse. Weniger Neugeborene als Gestorbene gab es in Niederösterreich (−5.598), in der Steiermark (−3.160), in Kärnten (−2.259), im Burgenland (−1.477) in Oberösterreich (−1.116) und in Salzburg (−52).
Netto-Zuwanderung 2023 knapp die Hälfte des Vorjahres
Im Jahr 2023 zogen 194 959 Personen aus dem Ausland nach Österreich und 128 330 wanderten aus Österreich in das Ausland ab. Daraus ergab sich ein Außenwanderungssaldo von +66 629 Personen. Im Jahr zuvor war dieser Saldo mehr als doppelt so groß (2022: +136.979 Personen), was vor allem auf die starke Zuwanderung aus der Ukraine zurückzuführen war. Die Netto-Zuwanderung von Personen ohne österreichische Staatsangehörigkeit (+71.889) setzte sich 2023 zu 41 % aus Staatsangehörigen eines EU- oder EFTA-Staates bzw. Angehörigen des Vereinigten Königreiches und zu 59 % aus anderen Drittstaatsangehörigen zusammen. Unter Angehörigen von EU- und EFTA-Staaten hatten Deutsche (+8.458), Ungar:innen (+6.745) sowie Kroat:innen und Rumän:innen (jeweils +3.875) die höchsten Salden. Bei Drittstaatsangehörigen waren es Menschen mit syrischer (+13.890), türkischer (+5.024) und afghanischer (+2 .561) Nationalität.
Österreich wandern statistisch gesehen ab
Auch 2023 gab es bei Personen mit österreichischer Staatsangehörigkeit mehr Abwanderungen ins Ausland als Zuwanderungen aus dem Ausland, wobei der daraus resultierende negative Saldo mit minus 5.260 Personen etwas geringer war als im Vorjahr (minus 6.257).
Am 1. Jänner 2024 lebten insgesamt 1 800 866 Menschen mit nicht-österreichischer Nationalität in Österreich, um 71 046 mehr als am 1. Jänner 2023 (1.729.820 Menschen). Der Anteil ausländischer Staatsangehöriger an der Gesamtbevölkerung stieg von 19,0 % zu Jahresbeginn 2023 auf 19,7 % zu Jahresbeginn 2024. Wien hat mit 35,4 % den höchsten Anteil nicht-österreichischer Staatsangehöriger, gefolgt von Vorarlberg (20,6 %) und Salzburg (20,3 %). Den niedrigsten Anteil weist das Burgenland mit 11,4 % auf, davor liegen Niederösterreich mit 12,2 % und Kärnten mit 13,2 %.
Stärkste Zuwanderung aus dem Ausland in Wien, größte Zuwanderung aus anderen Bundesländern in Niederösterreich
Unter den Bundesländern verzeichnete Wien den größten Wanderungsgewinn aus dem Ausland. Mit +21.959 Personen entfiel rund ein Drittel (33 %) des Außenwanderungssaldos Österreichs 2023 auf die Bundeshauptstadt. Ebenfalls eine hohe Netto-Zuwanderung aus dem Ausland gab es in Oberösterreich (+9.283) und der Steiermark (+8.989). Am niedrigsten war die Netto-Zuwanderung im Burgenland (+878) und in Vorarlberg (+1.659).
Binnenwanderung
Beim Saldo der Wanderungen mit anderen Bundesländern lag Wien mit +1.199 Personen hingegen nur an vierter Stelle. Niederösterreich verzeichnete hier den größten Gewinn (+4.255), gefolgt von Vorarlberg (+1.367) und dem Burgenland (+1.301). Mehr Wegzüge als Zuzüge und damit einen negativen Saldo hatten Tirol (−332), Oberösterreich (−604), die Steiermark (−1.157), Kärnten (−2.761) und Salzburg (−3.268). Der größte Teil der Binnenwanderungen verlief über kurze Distanzen, denn in rund 53,7% der Fälle zogen Personen innerhalb einer Gemeinde um. 16,9 % aller Binnenwanderungen verliefen über die Grenzen eines Bundeslandes hinweg. Insgesamt lag die Zahl der Binnenwanderungen in Österreich 2023 bei 834.797 Fällen und befand sich damit etwas unter dem Niveau des Vorjahres (2022: 842 152).
Demografie Teil 3 – Über ein Viertel der Bevölkerung in Österreich hat einen Migrationshintergrund
Demografie – Teil 2: Bevölkerungswachstum, Verlustregionen und Stagnation der Erwerbsbevölkerung