Die Macht der Demografie – TEIL 1
Das Waldviertel verliert in 10 Jahren mehr als 4.300 Einwohner
Während in Niederösterreich die Wiener Umland-Bezirke sowie die großen Städte St. Pölten und Wiener Neustadt Jahr für Jahr Einwohner hinzugewinnen, schlagen sich im Waldviertel Abwanderung und Überalterung klar erkennbar in der regionalen Bevölkerungsstatistik nieder. So ist die Einwohnerzahl in den vier Bezirken Gmünd, Horn, Zwettl und Waidhofen an der Thaya zwischen Jänner 2014 und Jänner 2024 in Summe um 4.334 Personen zurückgegangen. Der NÖ Wirtschaftspressedienst hat sich die Details aus dem 10-Jahres-Vergleich näher angesehen.
Den größten Aderlass gab es im Grenzbezirk Gmünd. Dort ist die Bevölkerungszahl von 37.420 Personen um 1.679 auf jetzt nur noch 35.741 geschrumpft. Bedenklich auch der Abwärtstrend im Bezirk Zwettl, wo die Einwohnerzahl um 1.429 von 43.102 auf 41.673 gesunken ist. Waidhofen an der Thaya – der kleinste Waldviertler Bezirk – musste ein Minus um 928 Köpfe von 26.424 auf 25.496 hinnehmen. Vergleichsweise gering ist der Bevölkerungsrückgang in Horn ausgefallen: Der Bezirk hatte im Jänner 2024 mit 30.975 Bewohnern um 298 weniger als 10 Jahre davor (31.273).
Diese Meldung wurde am 16.02.2024 vom Niederösterreichischen Wirtschaftspressedienst verbreitet. Grundlage dazu bildet eine Pressemeldung von Statistik Austria. Obwohl Österreich bezogen auf seine Zahl der Einwohner wächst und nun schon über neun Millionen Menschen hier leben, gibt es Regionen sogar ganze Bundesländer, die schon heute schrumpfen bzw. schrumpfen werden.
Wir von Unternehmerweb wollen uns deshalb in loser Folge mit dem Thema Demografischer Wandel und den Auswirkungen auf die Wirtschaft befassen. In der ersten Folge wollen wir uns mit den Grundlagen beschäftigen.
Was ist der Demografie?
Die Demografie erzählt die Geschichte unseres Lebens wie aus der Vogelperspektive. Es geht darum, wie alt wir in unserer Gesellschaft voraussichtlich werden, wie viele Kinder unsere Mitmenschen und natürlich wir voraussichtlich bekommen und wo und wie wir in aller Wahrscheinlichkeit unser Leben verbringen werden.
Der demografische Wandel, der derzeit weltweit stattfindet, hat starke Auswirkungen auf unsere Volkswirtschaften, auf unsere Sozial- und Gesundheitssysteme sowie auf den Wohnungs- und Infrastrukturbedarf in Österreich in Europa und im Rest der Welt. Dies wiederum hat Auswirkungen auf die Staatshaushalte. Gelingt es die Ursachen und Auswirkungen des demografischen Wandels zu verstehen, können wir seine Konsequenzen besser bewältigen und uns besser auf die Zukunft vorbereiten.
Allmähliche Rückgang der Erwerbsbevölkerung
In ganz Europa ist die Lebenserwartung in den letzten 50 Jahren erheblich gestiegen.
Da die Menschen länger und gesünder leben, möchten viele Bürger länger arbeiten, wenn auch nicht unbedingt in den gleichen Berufen. Gleichzeitig besteht ein anhaltender Trend, dass weniger Kinder geboren werden. Auch wenn die Einwanderungsraten in Europa höher sind als die Auswanderungsraten, wird der allmähliche Rückgang der EU-Bevölkerung und der Erwerbsbevölkerung voraussichtlich anhalten.
Eine schrumpfende und alternde Bevölkerung bringt neue Herausforderungen mit sich. Die schrumpfende Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter übt Druck auf Arbeitsmärkte und Wohlfahrtsstaaten aus, erhöht den Altersabhängigkeitsquotienten und erhöht die Staatsverschuldung pro Kopf.
Um das Wirtschaftswachstum aufrechtzuerhalten, muss die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wachsen, die Erwerbsquote muss steigen und/oder die Produktivität muss durch technologischen Fortschritt und/oder Kompetenzentwicklung steigen.
Die fünf großen Herausforderungen in Europa
- Niedrigere Geburtenrate
2020 bekamen Frauen im Durchschnitt 1,5 Kinder – die Geburtenrate lag damit deutlich unter dem Wert von 2,1, der erforderlich ist, um die Bevölkerung auf konstantem Niveau zu halten. - Steigender Seniorenanteil
2050 werden rund 30 % der Bevölkerung über 65 Jahre alt sein (heute: 20 %). - Kleinere Haushalte
Die Anzahl der Haushalte ist weiter gestiegen, während gleichzeitig die durchschnittliche Haushaltsgröße zurückging. Bei den Einpersonenhaushalten war der Anstieg am stärksten, auf mehr als 70 Millionen im Jahr 2021. - Höhere Lebenserwartung
Nach einem Rückgang während der Corona-Pandemie steigt die Lebenserwartung nun langsam wieder. 2021 betrug sie für Frauen 82,8 und für Männer 77,2 Jahre. - Sinkender Anteil Europas an der Weltbevölkerung
Der Anteil der europäischen Bevölkerung an der Weltbevölkerung sinkt weiter – bis 2070 auf rund 4 % (heute: 6 %).
Auswirkungen des demografischen Wandels in der EU
Der demografische Wandel in der EU hat Auswirkungen auf:
- den Arbeitsmarkt – da die erwerbsfähige Bevölkerung in Europa schrumpft, müssen wir mehr Menschen in Lohn und Brot bringen und/oder die Produktivität durch technologischen Fortschritt und Kompetenzen steigern
- die Beschäftigung – da die Menschen länger leben und gesünder sind. Viele Bürger/innen wollen daher länger arbeiten, wenn auch nicht unbedingt im gleichen Beruf.
- Pflege- und Betreuungsdienste – es gibt immer mehr ältere Menschen in der EU. Das erhöht den Bedarf an Betreuungs- und Pflegediensten und bedroht die langfristig finanzielle Tragfähigkeit unserer Wohlfahrtsstaaten.
- das demografische Gleichgewicht – demografische Entwicklungen wirken sich nicht auf alle Länder und Regionen gleichermaßen aus. Während in einigen Mitgliedstaaten die Bevölkerungszahl bereits in den nächsten Jahren zurückgehen dürfte, wird in anderen Mitgliedstaaten ein Bevölkerungswachstum erwartet
- ländliche Gebiete – im Allgemeinen leiden ländliche Regionen stärker als städtische Regionen unter einem Bevölkerungsrückgang aufgrund natürlicher Veränderungen und Abwanderung
- die Stellung Europas in der Welt – da der EU-Anteil an der Weltbevölkerung in den kommenden Jahrzehnten weiter schrumpfen dürfte, müssen wir dringend auf allen Ebenen eng zusammenarbeiten, wenn unser Binnenmarkt wettbewerbsfähig bleiben soll
Quellen:
- Niederösterreichischer Wirtschaftspressedienst
- EU-Commission: A Demographic Change in a changing environment, Jänner 2023