AK „kampanisiert“ – So geht Arbeitszeitverkürzung! Kann das Wirklichkeit werden?
Ihre Meinung ist gefragt!
Unter dem Titel – So geht Arbeitszeitverkürzung – auch ein Elektroinstallateur zeigt’s vor! – hat die AK im Sommer eine Pressekonferenz abgehalten. Doch ist die Lösung wirklich so einfach, die dazugehörige Pressemeldung suggeriert? Was meinen Sie dazu? Schreiben Sie uns einen Kommentar.
Pressemeldung der Arbeiterkammer
Kürzere Arbeitszeit bringt Mehrwert für Work-Life-Balance, Familie, Hobbys & Co. – AK fordert kürzere Arbeitszeiten, Arbeitsminister Kocher muss jetzt noch neue, gesunde Vollzeit angehen!
Der oberösterreichische Elektroinstallateur Kagerer hat 2022 die Wochenarbeitszeit auf 36 Stunden verkürzt. Die Beschäftigten dürfen sich bei vollem Lohnausgleich über eine Vier-Tage-Woche freuen. Eine Evaluierung der Arbeitszeit-Forschungsgesellschaft Ximes zeigt mehr Lebensqualität bei den Beschäftigten durch weniger Zeit in der Arbeit und mehr Zeit fürs Leben. Der Großteil der befragten Arbeitnehmer:innen redet von deutlichen Verbesserungen der Work-Life-Balance, sie sind zufriedener und haben mehr Zeit für Familie, Sport und Hobbys. Zudem steigen die Arbeitgeber-Attraktivität und die Bindung zum Betrieb. Vor allem für junge Arbeitnehmer:innen war die Vier-Tage-Woche ausschlaggebend für die Bewerbung.
„Arbeitszeitverkürzung geht – und sie geht mit Erfolg in allen Branchen, man muss nur wollen. Das zeigen österreichische Unternehmen vor, und das nicht nur in Bürobranchen. Es geht auch im Handwerksbetrieb, der vor allem auf Baustellen arbeitet. Von kürzeren Arbeitszeiten profitieren alle, Beschäftigte durch ein gesünderes und produktiveres Arbeitsleben und bessere Vereinbarkeit und Arbeitgeber als attraktive Betriebe im Wettbewerb um Fachkräfte“, schlussfolgert AK Präsidentin Renate Anderl.
Den Rufen der Wirtschaft nach längeren Arbeitszeiten erteilt Anderl eine klare Absage: „Dabei geht es nur um mehr Gewinne für die Betriebe. All diese Vorschläge gehen auf Kosten und auf die Gesundheit der Beschäftigten.“ Sie fordert „ein Pilotprojekt zu einer neuen, gesunden Vollzeit. Arbeitsminister Martin Kocher muss das jetzt noch auf den Weg bringen, das geht sich locker aus. Die neue Bundesregierung muss sich dann rasch ans Umsetzen machen.“
Elektroinstallateur mit weniger Arbeitszeit
Der Elektroinstallationsbetrieb Kagerer in Oberösterreich mit rund 150 Mitarbeiter:innen (drei Viertel im Montagebetrieb, die restlichen am Betriebssitz) hat die wöchentliche Arbeitszeit auf 36 Stunden pro Woche bei vollem Lohnausgleich verkürzt. Das Unternehmen hat seit 1. März 2022 auf vier Arbeitstage (Montag bis Donnerstag) umgestellt. Die Arbeitnehmer:innen arbeiten vorwiegend auf Großbaustellen im Raum Oberösterreich und Salzburg.
Die Arbeitszeit-Forschungsgesellschaft Ximes hat im Auftrag der AK eine Evaluierung durchgeführt und untersucht, wie sich die reduzierte Arbeitszeit auf Work-Life-Balance, Zufriedenheit, Gesundheit, Produktivität, Leistung, Betriebsklima und Freizeit auswirkt. Dazu hat sie die Arbeitszeitaufzeichnungen analysiert und die Mitarbeiter:innen befragt. Zusätzlich gab es vier Fokusgruppen-Interviews mit Geschäftsführer, Betriebsrat und Beschäftigten.
Analyse zeigt: Kürzer ist gesünder, macht zufriedener und bringt mehr Zeit
Neun von zehn Befragten sagen, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben durch die Arbeitszeitverkürzung viel besser ist. Mehr als die Hälfte betont, dass er/sie jetzt gesünder lebt und die Arbeitsbelastung abgenommen hat. Zwei Drittel der Beschäftigten geben an, dass sie viel zufriedener mit der Arbeit insgesamt sind.
Eine wichtige Frage in der Evaluierung war, ob die kürzeren regulären Arbeitszeiten nicht erst recht durch Überstunden ausgeglichen werden. Das ist eindeutig nicht der Fall. Die Überstunden sind im Vergleich zur Zeit vor der Verkürzung sogar (leicht) gesunken (davor durchschnittlich 1,4 Stunden pro Woche, nachher durchschnittlich 1,2 Stunden pro Woche).
Zwei von drei Befragten (66 Prozent) sagen, dass sie in den vergangenen drei Monaten zu keinem Zeitpunkt mehr arbeiten mussten – sie schafften ihr Arbeitspensum in der Vier-Tage-Woche. 22 Prozent geben an, dass sie innerhalb dieses Zeitraumes maximal in drei Wochen etwas mehr arbeiten mussten.
Weniger arbeiten, mehr Zeit fürs Leben
Die gewonnene Zeit nutzen die Beschäftigten vor allem dafür, sich jenen Menschen zu widmen, die ihnen lieb sind. Mehr als Drei Viertel der Befragten haben jetzt mehr Zeit für Familie (83 Prozent) und Freunde (71 Prozent). Sie leben aber auch gesünder, indem sie mehr Sport betreiben (60 Prozent), gesünder essen (40 Prozent) und mehr schlafen (45 Prozent). Auch Hobbys (65 Prozent) und Ausflüge (63 Prozent) haben nun mehr Platz. Ein beachtliches Drittel stellt die Zeit in Form von ehrenamtlichen Tätigkeiten der Gemeinschaft zur Verfügung. Ein Viertel investiert sie in persönliche Weiterbildung.
Arbeitszeitverkürzung bringt‘s
Die Fokusgruppen-Interviews zeigen: Besonders für junge Arbeitnehmer:innen ist die Arbeitszeitverkürzung ausschlaggebend für die Bewerbung. Die Arbeitsbelastung hat sich durch die Arbeitszeitverkürzung nicht erhöht. Insgesamt betonen Arbeitnehmer:innen, Betriebsrat und Geschäftsführung in den Interviews eine hohe Zufriedenheit, mehr Zeit für Familie, weniger Freizeitstress, mehr „echte“ Freizeit.
Weniger arbeiten: Es geht – und das quer durch die Branchen
Eine Ximes-Evaluierung aus 2022 bei der Online-Marketing-Agentur eMagnetix zeigt bei den Befragten ebenfalls eine bessere Vereinbarkeit, mehr Freizeit und Zufriedenheit mit der Arbeitszeit, weniger Arbeitsbelastung. Sie haben mehr Zeit für Hobbys, Familie, Freunde und Sport. eMagnatix hat von 40 auf 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich verkürzt.
Auch im Parkhotel Brunauer in Salzburg hat die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich eingecheckt (von 40 auf 36 Stunden). Die Beschäftigten betonen ebenfalls, dass sie mehr Lebensqualität und mehr Freizeit haben und zufriedener mit der Arbeit sind.
Alle Evaluierungen zeigen positive Effekte insbesondere auf Vereinbarkeit von Arbeit und privat, Freizeit und Zufriedenheit für die Beschäftigten. Die Arbeitgeber profitieren durch motivierte, erholte Mitarbeiter:innen, eine stärkere Bindung ans Unternehmen und mehr Bewerbungen auf freie Stellen.
Kürzer ist gesünder – neue, gesunde Vollzeit
Die Menschen in Österreich sind schon extrem fleißig. Aber Vertreter:innen von Wirtschaft und Industrie reden immer wieder von längeren Arbeitszeiten für das gleiche Geld. Hinzu kommt: Arbeitnehmer:innen machen schon jetzt fast 47 Millionen unvergütete Überstunden. Damit bleiben Firmen ihren Beschäftigten mehr als 1,3 Milliarden Euro im Jahr schuldig.
„Wir sind bei überlangen Arbeitszeiten derzeit Europameister und leisten Millionen an Überstunden“, betont AK Präsidentin Renate Anderl. „Mit Diskussionen über längere Arbeitszeiten wird niemand die Arbeitswelt verbessern. Es geht dabei nur um mehr Gewinne für die Betriebe. All diese Vorschläge gehen aber auf Kosten der Beschäftigten. Wir werden uns weiterhin vehement für eine neue, gesunde Vollzeit einsetzen. Viele Betriebe haben das schon seit Jahren umgesetzt und alle leben sehr gut damit – und Arbeitszeitverkürzung geht quer durch alle Branchen. Kürzere Arbeitszeiten führen zu einem gesünderen und produktiveren Arbeitsleben und mehr Zeit für Familie, Freunde und Hobbys. Es ist höchste Zeit für Entlastungen, allen voran für kürzere Arbeitszeiten.“
Anderl appelliert an Arbeitsminister Martin Kocher „sofort ein Pilotprojekt mit einem Fahrplan zu einer neuen, gesunden Vollzeit zu initiieren. Das geht sich noch locker aus und würde wichtige Erfahrungen und Erkenntnisse bringen, wie eine generelle Arbeitszeitverkürzung am besten umgesetzt werden kann. Die neue Bundesregierung muss dann die neue, kürzere Vollzeit ganz oben auf ihre Agenda setzen. Zu den Pilotprojekten gibt es positive Beispiele aus Großbritannien, Island und Irland. Deutschland, Spanien und noch viele andere Länder haben ebenfalls damit gestartet.“
Ist das wirklich eine Lösung?
So tönte die AK also im Sommer. Jetzt im Spätherbst, sieht die Wirklichkeit vielleicht schon ganz anders aus? Österreich wird wirtschaftlich gesehen immer mehr zum Problemkind – und das in vielerlei Hinsicht.
Schlüssige Konzepte sind aber rar! In einer Zeit des politischen Populismus von Trump über Orban bis zu Kickl und den damit einhergehenden Isolationisten Tendenzen, taugen Opas (und Omas) Rezepte kaum noch.
Ist da eine Arbeitszeitverkürzung eine Abkürzung zum wirtschaftlichen Untergang oder dürfen wir uns auf John M. Keynes berufen der vor gut 100 Jahren prophezeite, dass wir im Har 2030 nur mehr 15 Stunden pro Woche arbeiten werden.
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