Gestörte Lieferketten: Rechtsstreitigkeiten erfolgreich austragen
Infolge der COVID19-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine sind in zahlreichen Branchen die Lieferketten stark unter Druck geraten. Viele Unternehmen stehen dadurch vor dem Dilemma, dass Herstellungsprozesse nur verzögert umgesetzt und Lieferverträge nicht erfüllt werden können. Nicht selten entstehen dadurch Streitigkeiten, die vor den nationalen Gerichten bzw. vor internationalen Schiedsverfahren ausgetragen werden. Prozessfinanzierung kann dabei helfen, solche Verfahren erfolgreich zu bestreiten.
Erste Engpässe bei Lieferungen zeichneten sich bereits vor der Corona-Pandemie bei Halbleitern ab. Nachgelagerte Wertschöpfungsstufen, die auf Halbleiter als Vorprodukte angewiesen sind, wie beispielsweise in der Automobilindustrie, konnten in der Folge ihre eigenen Produkte entweder nicht oder nur sehr verspätet herstellen. Die Pandemie und der Ukraine-Krieg haben zu Knappheit in weiteren Branchen geführt. So ist die Einfuhr bestimmter Produkte aus Russland verboten und die Produktionsstandorte in der Ukraine sind stark vom Krieg betroffen. Mittelbar hat der Krieg auch Auswirkungen auf energieintensive Industrien, wie beispielsweise die Stahl- und Chemieindustrie, die nun wesentlich höhere Preise für Energie in Kauf nehmen müssen.
Die global organisierten arbeitsteiligen Lieferketten haben über Jahre hinweg zu enormen Effizienzgewinnen für die Industrie und, in Folge, auch zu niedrigeren Preisen für die Konsumenten geführt. Die Kehrseite der komplexen Lieferbeziehungen sehen wir heute.
Konflikte zwischen Handelspartnern sind vorprogrammiert
Streitigkeiten entstehen insbesondere dann, wenn sich die Parteien nicht einig sind, wer in der Lieferkette die wirtschaftlichen Folgen einer Störung tragen muss. Falls eine entsprechende vertragliche Regelung – wie beispielsweise eine Preisanpassungsklausel – fehlt, wird der Auftraggeber darauf bestehen, dass der Zulieferer die vertraglich vereinbarte Menge zum vereinbarten Zeitpunkt und zum festgelegten Preis liefert. Der Zulieferer wird dagegen versuchen, die gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise auf die nächste Stufe weiterzugeben. Gleichzeitig möchte er für Ausfälle, die vielfach nicht durch ihn verschuldet sind, nicht gegenüber dem Besteller haften. Zur Anpassung ihrer Lieferpflichten verweisen die Zulieferer auf die Rechtsinstitute der Unmöglichkeit, des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, der höheren Gewalt sowie auf vertragliche Kündigungsrechte. Ob diese Instrumente tatsächlich greifen, muss oft vor Gericht ausgefochten werden. Entscheidend sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalls: beispielsweise, ob ein Fall von höherer Gewalt vorliegt, der eine Anpassung des Vertrages rechtfertigen kann oder doch nur wirtschaftliche Unmöglichkeit vorliegt, die eine Befreiung des Zulieferers oft nicht realisierbar macht.
Viele internationale Lieferverträge enthalten eine Schiedsgerichtsbarkeitsklausel. Diese regelt, dass die Parteien im Konfliktfall nicht die ordentlichen Gerichte, sondern spezielle Schiedsgerichte anrufen. Unabhängig davon, ob das Recht vor den staatlichen Gerichten oder auf dem Weg der Schiedsgerichtsbarkeit durchgesetzt wird, sind die Kosten für die Rechtsdurchsetzung und damit auch das Prozessrisiko vergleichsweise hoch. Oft sind die Kosten für ein Schiedsverfahren sogar noch höher als für ein Verfahren vor den ordentlichen Gerichten. Diese können sich vor allem für kleine und mittelgroße Unternehmen, die oft über keine ausreichend großen finanziellen Polster verfügen, existenzbedrohend auswirken. Hier kann ein Prozessfinanzierer unterstützend zur Seite stehen.
Prozessfinanzierung als nachträglich abgeschlossene Rechtsschutzversicherung
Prozessfinanzierung ist eine Art nachträglich abgeschlossene Rechtsschutzversicherung, die eingreift, nachdem der Schaden bereits eingetreten ist. Der Prozessfinanzierer trägt alle Kosten eines Rechtsverfahrens, d.h. Gerichtskosten bzw. Schiedsverfahrenskosten, Anwaltskosten und mögliche Gutachterkosten. Auch übernimmt er regelmäßig die Kosten der Gegenseite, wenn die Klage verloren geht. Prozessfinanzierung bietet sich in allen Bereichen des Wirtschaftsrechts an und kommt für den Kläger sowohl für den Rechtszug vor ordentlichen Gerichten als auch für Schiedsverfahren in Frage. Als Gegenleistung dafür, dass der Prozessfinanzierer das wirtschaftliche Risiko der Anspruchsdurchsetzung übernimmt, erhält er eine erfolgsbezogene Vergütung aus der erfolgreich durchgesetzten Forderung. Viele Unternehmen nutzen heute Prozessfinanzierung strategisch, um die eigene Liquidität zu schonen, statt diese langfristig in Rechtsstreitigkeiten zu binden. So entsteht für diese eine Win-Win-Situation.
Gastbeitrag von Felix von Zwehl,General Counsel Germany beim Prozessfinanzierer Deminor. Deminor ist spezialisiert auf komplexe Wirtschaftsstreitigkeiten vor nationalen Gerichten und vor Schiedsgerichten. Deminor zählt zu den Top-10 der international tätigen Prozessfinanzierer.