Shiva Prugger, Domina: … war zuvor in der Telefonerotik tätig – Teil 2
Was waren die tollsten/ ermutigensten Erlebnisse, im Zuge deiner Laufbahn?
Oh, das ist wirklich keine einfach zu beantwortende Frage! Es gibt immer wieder schöne Momente und tolle Begegnungen mit interessanten Menschen. Ich habe ja das, was ich heute mache, peu à peu (nach und nach) von meinen Kunden gelernt. Da gab es schon den einen oder anderen Wegbegleiter, der mich durch seinen Input wieder ein großes Stück voran gebracht hat.
Wie läuft ein gewöhnliches Kundengespräch ab?
Ich spreche mit jedem meiner Kunden ausführlich vor der eigentlichen Session. Es ist für mich wichtig, um sich gegenseitig zu beschnuppern und mein Gegenüber besser einzuschätzen. Jeder Mensch ist in seinem Ausdruck anders und das spiegelt sich auch in der gemeinsamen Stunde wieder. Aus diesem Grund brauche ich Zeit, um mich auf den anderen einzustimmen. Ich frage nach bisherigen Erfahrungen, nach schlechten Erlebnissen und nach Phantasien, die mein Kunde umgesetzt haben will. Ganz wichtig ist es genau zu erfragen, was jemand nicht möchte und ob es gesundheitliche Einschränkungen gibt. Es muss unbedingt abgesprochen werden, wie mir mein Kunde mitteilt, wenn ihm etwas zu viel wird oder gar nicht gefällt.
Beschreibe deine typischen Kunden.
Meine Kunden sind im Vergleich zu den Männern, die mir mein Privatleben beschert äußert respektvoll, zuverlässig, pünktlich, zuvorkommend… Des Weiteren u.a. gebildet, gepflegt, spannend und höflich. Der Altersschnitt liegt bei mir sicherlich höher als angenommen. Ich habe viele Kunden zwischen 40 und 65. Eher wenige darunter und sehr wenige drüber. Das wird wohl daran liegen, dass ein Besuch in einem Dominastudio für junge Männer nicht so leicht zu leisten ist und ich vermute, dass erst reifere Männer sich getrauen, zu ihrer Neigung zu stehen und ihren Gedanken dann auch eher Taten folgen zu lassen.
Wie nehmen potenzielle Kunden Kontakt mit dir auf?
Meine Kunden nehmen per Mail oder Telefon Kontakt auf und informieren sich meist über meinen Preis, freie Termine und ob ihre Wünsche für mich umsetzbar sind. Anfragen über FB oder WhatsApp leite ich gern auf meine präferierten Kontaktwege um, weil mich so viele Kontaktkanäle stressen und zudem unübersichtlich werden.
Was denkst du über Work-Life-Balance?
Ich denke, dass ist für jeden im Berufsleben stehenden Menschen ein sehr wichtiges Thema und sieht für fast jede Person ganz anders aus. Basis dafür ist grundlegend einmal der jeweilige Arbeitsmodus und die individuellen Interessen und Hobbies des Einzelnen.
Ich versuche für mich bewusst eine gute Balance zu finden und ich muss zugestehen, dass ich das als ständige Herausforderung sehe. Ich könnte zwar mehr Termine wahrnehmen, als ich mache, aber viel mehr schaffe ich durchgehend energetisch nicht.
Dazu kommt, dass viele meiner Kunden glauben, wenn sie mich kurzfristig vor ihrem geplanten Besuch anrufen, habe ich auch Zeit. Sie können sich einfach nicht vorstellen, dass ich außer meiner Tätigkeit als Domina ein ganz normales, sehr ausgefülltes Alltagsleben führe. Eine „Session“, wie eine Stunde mit mir genannt wird, braucht von meiner Seite her Vorbereitung, auch in dem Sinne, dass ich mich in jeweils komplett unterschiedliche Phantasien eindenken muss. Ein guter Ausgleich abseits meiner Tätigkeit ist da sehr wichtig.
Wie darf man sich den Alltag einer Domina vorstellen?
Ich habe das große Glück, dass meine Termine meist nach Mittag stattfinden und ich daher im Idealfall weckerlos aufwachen darf. Übrigens für mich eine der größten Lebensqualitäten. 2 Stunden vor meinem Termin brauche ich fast eine Stunde um mich herzurichten: duschen, schminken, Nägel lackieren…. Etwa eine Stunde vor dem Termin gehe ich daheim los und bereite im Lokal einiges für den Termin vor, zünde alle Kerzen an, mache klassische Musik an, ziehe mich um und gehe noch einmal durch, was ich mir über meinen Kunden auf einer Karteikarte notiert habe. Spätestens 10 Minuten vorher bin ich immer fertig und warte auf den Kunden. Es folgt ein Vorgespräch, dann die eigentliche gebuchte Stunde und danach gebe ich dem Kunden noch die Zeit, die er braucht. Wenn ich wieder alleine im Lokal bin muss ich, die gebrauchten Utensilien reinigen und wegräumen, mich wieder umziehen und meinen Energieakku aufladen.
Was waren die größten Herausforderungen?
Ich habe bis zur Bewilligung meines Lokals genau ein Jahr warten müssen und mich in dieser Zeit mental und finanziell irgendwie über Wasser gehalten. Wäre nicht schon alles in die Wege geleitet gewesen, hätte ich sehr oft gerne einen Rückzieher gemacht und alles hingeschmissen. Diese schwierige Zeit hat mich nachträglich gesehen gelassener und geduldiger werden lassen. Ich habe ein Lokal gemietet, das vor meiner Anmietung umgebaut wurde, ohne dass dies der Baubehörde gemeldet wurde. Da die Nachmeldefristen abgelaufen waren und sich inzwischen auch die gesetzliche Situation geändert hatte, musste der Hausbesitzer auf seine Kosten sehr teuer erneut umbauen, damit die Pläne der Baubehörde mit den Plänen vor Ort wieder übereinstimmten. Der verordnete Umbau ließ jedoch ein gutes halbes Jahr auf sich warten, trotz viel Nachdruck meinerseits. Das war eine wirklich sehr zermürbende Zeit, denn ohne diesen Umbau konnte ich mein Lokal nicht anmelden (da baubehördlich praktisch nicht nutzbar). Dazu kam, dass mir die Hausverwaltung eine Räumungsklage bescherte, weil ich mich zu Recht weigerte, in dieser Wartezeit Miete zu bezahlen. Auch die Reparaturkosten eines nicht verschalteten großen Ventilators mit der Therme verweigerte ich, der mir, hätte ich ihn in Betrieb genommen, wahrscheinlich schon vor der Lokaleröffnung das Leben gekostet hätte. Die Räumungsklage habe ich inzwischen übrigens sonnenklar gewonnen!
Wie sieht die rechtliche Situation aus?
Um ein Dominastudio eröffnen zu können, muss man zuallererst ein Lokal finden, bei dem sowohl Hausverwaltung, als auch Hausbesitzer mit dem Verwendungszweck einverstanden sind. Dann braucht man ein Gutachten eines Ziviltechnikers, der den Konsens zwischen Istzustand und Sollzustand feststellt. Mit dem fertigen Ziviltechnikergutachten, einer Strafregisterbescheinigung und sämtlichen Dokumenten kann man das Lokal bei der zuständigen Stelle bei der Polizei anmelden. Die Durchführung des Ermittlungsverfahrens zur Feststellung der erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen kann jedoch bis zu 6 Monate in Anspruch nehmen.
Hast du Tipps für Menschen, die selbst gerne gründen möchten?
Ich bin ein sehr vorsichtiger Mensch. Ich habe sehr genau überlegt, ob mein Unternehmen in meiner Dimension (mit dem anfänglichen Investitionsbetrag), Früchte tragen wird. Von Krediten für Geschäftsideen als Einzelperson halte ich nichts. Ich war mir sehr sicher mit meiner Entscheidung ein eigenes Lokal zu eröffnen und hatte in meinen Gedanken fast immer „grünes Licht“. Ohne Erspartes halte ich es für sehr schwierig Fuß zu fassen, wobei das wohl auch immer von der jeweiligen Branche abhängt. In meinem Fall waren binnen kürzester Zeit gleich einmal 30.000 Euro weg. Mit diesen Investitionskosten hatte ich zumindest ein benutzbares Lokal. Die Investitionen hören aber mit der Geschäftseröffnung nicht auf, bei mir ist es zumindest so.
Lassen wir die Bescheidenheit weg!
Wenn du groß träumst, wie sieht die Zukunft der Villa Bizarr aus?
Hmmm, ich habe mir angewöhnt, besser größere Schuhe anzuziehen, in die man noch reinwachsen kann. Das kann ich übrigens weiterempfehlen! Meine Tätigkeit ist sehr weit gefächert. Die Thematik BDSM („Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism“) ist unerschöpflich und sehr breit angelegt. In 10 Jahren werde ich wohl immer noch neue Erfahrungen sammeln und Neues von meinen Besuchern lernen. Die Villa Bizarr wird es in der Zukunft noch lange geben. Sie wird immer mehr meine Handschrift tragen, auch an meinem Bemühen um ein spezielles Verständnis von BDSM werde ich weiter festhalten.
Man sagt, dass Neugründungen immer ein paar Jahre brauchen, um sich zu etablieren. Meine Villa Bizarr ist ab dem ersten Tag gut gelaufen. So gesehen blicke ich sehr gelassen in die Zukunft.
Für die kurzfristige Zukunft habe ich einige Ideen am Radar. Englischsprachige Sessions, die planbarer sind, da diese Kunden dann meist via Flug nach Wien kommen. Des Weiteren würde ich gern ab und zu interessierten Damen die Möglichkeit bieten, sich mein Dominastudio von innen anzusehen. Dabei soll der Spaß im Vordergrund stehen, es darf gefragt und alles angeschaut werden. Ich könnte mir so ein Event für eine Geburtstagsfeier, Damenkränzchen oder Polterabend vorstellen. Demnächst habe ich meine erste Session mit einer im Rollstuhl sitzenden Person, die von seinem Betreuer bei mir abgeliefert wird. Gerade da kann ich mir vorstellen, besonders behinderten Menschen die Möglichkeit zu geben, auch BDSM genießen zu können.
Fix ist aber für die Zukunft: Die Villa Bizarr ist das, was ich geschaffen habe und wo auch immer nur ich tätig sein werde. Die Villa Bizarr soll für perfekt maßgeschneiderte Sessions stehen, für Qualität dieser Dienstleistung, für Kompetenz.
Wie gehst du mit der Registrierkassenpflicht um?
Irgendwie nehme ich in meinem Umfeld wahr, dass es keine Branche mehr so ernst nimmt, wie noch Anfang Jänner. Unlängst lies ich meine Druckerpatronen refillen und musste um die Rechnung fragen, da ich diese ja in meine Buchhaltung aufnehmen muss.
Ich habe einen Bondrucker im Lokal und viele meiner Kunden glauben, dass mich die Registrierkassenpflicht gar nicht betrifft. Doch, das tut es. Mich hat bisher noch niemand um einem Bon gefragt (grinst). Ehrlich gesagt, empfinde ich es als absolut unangenehm, meinen Kunden sagen zu müssen: „ wart noch ein bisserl, ich muss dir noch eine Rechnung ausstellen“. Ich bekomme das Geld für meine Leistung des Öfteren in einem diskreten Umschlag bzw. wird es mir dezent auf mein Tischchen gelegt. Dann mit einem Beleg zu kontern, zerstört mein intimes, diskretes Ambiente vollkommen und stellt für mich ein No-Go dar, einfach nicht kompatibel. Ich kann Rechnungen drucken, aber niemand will sie. Zum Spaß habe ich mir einmal folgenden potentiellen Belegtext überlegt:
„Sehr geehrter Herr! Ich empfehle Ihnen, Ihren Kassenbon umgehend zu vernichten! Für den Fall, dass Ihr Beleg von unbeteiligten 3. gefunden wird (Ehefrau), übernehme ich keine Haftung!“
Möchtest du noch etwas loswerden?
Mein Lokal unterliegt dem Prostitutionsgesetz und nach diesen Gesetzen habe ich mich zu richten. Als Domina hat man aber keinen Geschlechtsverkehr mit seinen Kunden. Trotzdem muss ich mich alle 6 Wochen einer gynäkologischen Untersuchung unterziehen und mir regelmäßig Blut abnehmen lassen. Ich stehe Impfungen kritisch gegenüber, musste mich dennoch gegen Hepatitis B impfen lassen und einmal jährlich zum Lungenröntgen. Schade, dass das Gesetz hier nicht differenziert.
Es naht mein Einjahresjubiläum und das möchte ich gern mit Freunden und Bekannten feiern. Nur: laut Gesetz ist es Frauen ohne „Prostituiertenausweis“, wie ich ihn habe, nicht erlaubt, ein Prostitutionslokal zu betreten. Ich müsste also eine reine Männerrundenfeier machen, in der ich die einzige Frau wäre, die eben eine „grüne Karte“ hat. Das Gesetz schreibt mir also meine sexuelle Orientierung vor und geht davon aus, dass Prostitution ausschließlich Frauen vorbehalten ist. Mir zu verbieten, weibliche Personen in mein Lokal einzuladen, ist ein regelrechter Verstoß gegen Menschenrechte und das wird das nächste Thema sein, für das ich mich einsetzen und kämpfen werde.
Beschreibe deine Person bitte mit Eigenschaftswörtern:
penibel, korrekt, konsequent, stur, kämpferisch, gerechtigkeitsfanatisch, (sehr) zäh, unkonventionell, verrückt (mit intelligenter Baseline), provokant, mutig, selbstständig, bescheiden, zufrieden, glücklich und endlich angekommen
Shiva Prugger, Domina: … war zuvor in der Telefonerotik tätig – Teil 1
Exkurs: Shiva Prugger durfte an einem Projekt der FH Wien der WKW im Rahmen des Projektes „extreme Berufe“ teilnehmen. Die Domina ist ab Minute 7:35 zu sehen: https://www.youtube.com/watch?v=L3kFnJYcBP8
Quelle:
http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wien/stadtleben/788245_Interview-mit- einer-Domina.html