Lesekompetenz Erwachsener ist zurückgegangen
Mathematik-Skills über OECD-Schnitt
Innerhalb von elf Jahren ist die Lesekompetenz von Erwachsenen in Österreich deutlich zurückgegangen und unter den OECD-Durchschnitt gesunken, wie die von Statistik Austria 2022/23 zum zweiten Mal durchgeführte PIAAC-Erhebung über Grundkompetenzen von Erwachsenen zeigt. Bei der Alltagsmathematikkompetenz bleibt Österreich jedoch – wie auch in der letzten Erhebung 2011/12 – über dem OECD-Schnitt.
„Erwachsene in Österreich können schlechter lesen als vor elf Jahren. Die Lesekompetenz in Deutsch ist insbesondere bei Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen und bei Älteren seit 2011/12 deutlich zurückgegangen. Dabei wirkt sich der höhere Bildungsstand der Gesellschaft positiv auf die Lesekompetenz aus, die zunehmende Alterung und der Anstieg der Personen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft hingegen negativ. Allerdings gibt es auch einen Rückgang bei Menschen, die in Österreich geboren sind und Deutsch als Erstsprache haben. Junge Erwachsene in Österreich schneiden jedoch im OECD-Vergleich in allen Kompetenzbereichen überdurchschnittlich ab“, so Statistik Austria-Generaldirektor Tobias Thomas.
Laut der aktuellen PIAAC-Erhebung (Programme for the International Assessment of Adult Competencies) beträgt die mittlere Lesekompetenz der erwachsenen Bevölkerung zwischen 16 und 65 Jahren in Österreich 254 Punkte und liegt damit signifikant unter dem OECD-Durchschnitt von 260 Punkten (siehe Tabelle 1). Bei der alltagsmathematischen Kompetenz erreicht Österreich – wie schon bei der Vorgängererhebung 2011/12 – mit durchschnittlich 267 Punkten jedoch ein gutes Ergebnis (OECD-Durchschnitt: 263 Punkte). Der 2022/23 erstmals erhobene Kompetenzbereich „adaptives Problemlösen“ wird als die Fähigkeit definiert, seine Ziele in einer dynamischen Situation zu erreichen, in der eine Lösungsmethode nicht sofort verfügbar ist. In diesem Kompetenzbereich liegt Österreich mit 253 Punkten ebenfalls knapp über dem OECD-Durchschnitt von 251 Punkten.
Anteil von Personen mit niedriger Lesekompetenz deutlich angestiegen
Rund 1,7 Mio. Menschen in Österreich verfügen über niedrige Lesekompetenzen und sind dadurch mit Nachteilen in Beruf und Alltag konfrontiert. Der Anteil der Personen mit niedrigen Lesekompetenzen ist zwischen 2011/12 und 2022/23 von 17 % auf 29 % stark angestiegen. Diese Gruppe ist hinsichtlich ihrer Lesekompetenzen aber uneinheitlich zusammengesetzt. Ein Teil davon (Kompetenzstufe unter 1, siehe Informationen zur Methodik) kann auf Deutsch entweder überhaupt nicht lesen oder nur Bedeutungen auf Satzebene verarbeiten bzw. die Sinnhaftigkeit von Sätzen beurteilen. Andere wiederum können sehr wohl kurze Texte verstehen (Kompetenzstufe 1). Gemeinsam ist diesen Personen jedoch, dass sie Schwierigkeiten haben, längere Texte mit einigen ablenkenden Informationen zu verstehen.
Die Anzahl der Personen mit niedrigen Lesekompetenzen ist insbesondere bei den unteren Bildungsabschlüssen signifikant gestiegen: Nahezu jede zweite Person mit maximal Pflichtschulabschluss, jede dritte Person mit einem Lehrabschluss und jede fünfte Person mit einem BMS-Abschluss erreicht beim Lesen ein Kompetenzniveau auf den beiden niedrigsten Lesekompetenzstufen (Stufen unter 1 und 1; siehe Tabelle 2).
Überdurchschnittliche Ergebnisse im neuen Kompetenzbereich „adaptives Problemlösen“
Im Zeitvergleich zeigt sich bei den Personengruppen mit diesen drei Bildungsabschlüssen eine signifikante Verschlechterung der mittleren Kompetenzwerte, während bei höheren Bildungsabschlüssen – mit mindestens Matura – keine signifikanten Veränderungen festzustellen sind. Der steigende Anteil an Personen mit niedrigen Lesekompetenzen zeigt sich auch, wenn in die Analyse die Merkmale Geburtsland und Erstsprache einbezogen werden: In der Gruppe der in Österreich Geborenen mit Erstsprache Deutsch wuchs der Anteil der Personen mit niedrigen Lesekompetenzen (Stufen unter 1 und 1) signifikant von 12 % (2011/12) auf 19 % (2022/23). Bei der Gruppe der im Ausland Geborenen mit nicht-deutscher Erstsprache erhöhte sich der Anteil im gleichen Zeitraum deutlich von 39 % auf 61 %. Junge Erwachsene überdurchschnittlich lesekompetent, Ältere unterdurchschnittlich
Die 16- bis 24-Jährigen schneiden in Österreich beim Lesen signifikant besser ab als die entsprechende Altersgruppe im OECD-Durchschnitt. In höheren Altersgruppen zeigen sich in der österreichischen Wohnbevölkerung geringere Lesekompetenzen als bei den Jüngeren und als im OECD-Durchschnitt der vergleichbaren Altersgruppen. In Österreich ist somit der Kompetenzunterschied zwischen den Altersgruppen stärker ausgeprägt als im OECD-Durchschnitt. Die Kompetenzunterschiede zwischen Jüngeren und Älteren waren bereits 2011/12 erkennbar, haben jedoch weiter zugenommen.
Lesekompetenz geht unabhängig von soziodemographischen Veränderungen zurück
Bei der Hochrechnung wird die PIAAC-Stichprobe sorgfältig gewichtet, damit die statistischen Ergebnisse der tatsächlichen Bevölkerungszusammensetzung 2022/23 entsprechen. Eine Analyse zum Einfluss der Bevölkerungsveränderung auf die Grundkompetenzen (siehe Box „Informationen zur Methodik“) zeigt, dass die Lesekompetenz in Österreich 2022/23 auch dann unverändert bleibt (254 Punkte), wenn bei der Hochrechnung die Bevölkerungsstruktur der Jahre 2011/12 verwendet wird – d. h. wenn die Hochrechnung so erfolgt, als hätte sich die Bevölkerung soziodemographisch seit elf Jahren nicht verändert.
Betrachtet man die demographischen Einflussfaktoren einzeln, so hat zwar die Bildungsexpansion einen positiven Einfluss auf die Lesekompetenz (+5 Punkte), doch die Alterung der Bevölkerung (−2 Punkte) sowie der Anstieg der Personen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft (−3 Punkte) wirken sich negativ auf das durchschnittliche Lesekompetenzniveau aus. Damit gleichen sich die einzelnen Effekte der soziodemographischen Veränderungen auf die Lesekompetenz in Summe aus und der festgestellte Rückgang der Lesekompetenz bleibt bestehen, kann aber somit weder auf die Alterung der Gesellschaft noch auf die Zuwanderung zurückgeführt werden. Welche Einflussfaktoren tatsächlich für die verschlechterten Lesekompetenzen verantwortlich sind, soll im Lauf des kommenden Jahres in einem Expert:innenbericht erforscht werden.
Quelle: statsitik.at