Gastbeitrag: Wie Verhaltensänderung von Mitarbeitern gelingt

von Oliver Schumacher*
Die Entwicklung von Mitarbeitern ist oft kein leichtes Unterfangen. Viele Faktoren wirken auf die Umsetzungs-/Anwendungswahrscheinlichkeit. Im Idealfall sind Beschäftigte generell offen für Neues und verfügen über eine gewisse Reflexionsfähigkeit. Allerdings ist ein nicht zu unterschätzender Punkt das Umfeld, in welchem die Mitarbeiter täglich arbeiten.
An sich klingt es so einfach und logisch: Angenommen, ein Mitarbeiter kann eine bestimmte Aufgabe nicht zur Zufriedenheit seines Vorgesetzten bewerkstelligen. Was wäre die naheliegendste Lösung? Ein Seminar! Denn wer, wenn nicht ein im Thema erfahrener und beim Wissenstransfer geschulter Seminarleiter, könnte dem Mitarbeiter auf die Sprünge helfen? Oft kommt es dann aber zur Enttäuschung: Ein paar Wochen später fallen viele Mitarbeiter wieder zurück in ihr altes, verbesserungswürdiges Verhaltensmuster. Oder sie warten immer noch auf den idealen Moment, um das neu erworbene Wissen aus dem Seminar endlich anzuwenden. Sind also Seminare mehrheitlich für die Katz? Auch, wenn das manchmal so kommuniziert wird, sollten die verschiedenen Kräfte, die auf die Lernkultur im Unternehmen und die Lernkompetenz des Einzelnen einwirken, differenziert betrachtet werden.
Oft stimmt das Lernklima im Unternehmen nicht
Sind Weiterbildungen im Unternehmen eher die Ausnahme, statt die Regel und wird durchschnittliche bis unterdurchschnittliche Leistung seitens der Führung über lange Zeit toleriert, sinkt die Umsetzungswahrscheinlichkeit von Trainings dramatisch. Außerdem sind im Unternehmen sehr viele unterschiedliche Persönlichkeiten beschäftigt, die – größtenteils unbewusst – auf ihre Kollegen einwirken. Stellen Sie sich einmal folgende Fragen:
- Wird ein Mitarbeiter von seinen Kollegen eher beglückwünscht, wenn er zum Seminar gehen soll, oder bedauert?
- Was passiert, wenn jemand bei einem Meeting ein Problem anspricht, welches er persönlich für sich bei der Umsetzung des beschlossenen Tagungspunktes sieht?
- Wie wird mit Kollegen umgegangen, die unterdurchschnittlich arbeiten? Werden sie unterstützt oder eher mental „abgehakt“, im Sinne von „dem ist nicht mehr zu helfen“?
- Werden Mitarbeiter, die Top-Leistung bringen, von anderen bewundert oder eher beneidet bis hin zu gemobbt?
- Wissen eigentlich alle Mitarbeiter, was konkret(!) von ihnen im Arbeitsalltag erwartet wird und an wen sie sich wenden können, wenn sie Probleme bei der Umsetzung haben?
Das negative Erfahrungsgefängnis
Der Mensch hat das Grundbedürfnis, recht zu haben. Darüber hinaus prägen erstmalige Erlebnisse erheblich. Hat also schon mal ein Mitarbeiter an einem oder zwei Trainings teilgenommen, welcher dieser für sich selbst als sehr negativ verbuchte, dann gehört schon eine gewisse Frustrationstoleranz dazu, sich auf ein drittes Seminar zu freuen. Vorbehalte gegenüber Weiterbildungen entstehen beispielsweise dann, wenn:
- Teilnehmer das Gefühl haben, sie wurden im Training vorgeführt, durch unpassende Rollenspiele oder Kommentare seitens des Trainers oder anderer Teilnehmer,
- die Inhalte überhaupt nicht für den Teilnehmer passend gewesen sind und somit keine Lerngewinne gezogen werden konnten oder
- das eigene Selbstbild sagt „Ich bin schon gut genug. Ich muss nichts mehr lernen. Was soll ich bei einem Seminar?“
Insbesondere der letzte Punkt kommt sehr schnell zum Tragen, wenn Mitarbeiter nicht regelmäßig Feedback seitens ihrer Führungskraft erhalten. In der Praxis könnte beispielsweise ein Vertriebsmitarbeiter sagen: „Ich arbeite schon seit 20 Jahren im Vertrieb. Entweder kann man verkaufen, oder nicht!“ Wird dieser aber darauf angesprochen, zu wenige Neukunden zu gewinnen oder vorschnell Rabatt zu geben, so weist er die Verantwortung von sich und gibt den Umständen, wie beispielsweise den schlechten Produkten oder der Wirtschaftslage, die Schuld.
Dabei sein ist nicht alles!
Ein typischer Fehler von Unternehmern, Führungskräften oder sogar HR-Verantwortlichen ist es, Mitarbeiter „einfach“ zum Seminar zu schicken, in der Hoffnung, dass diese aus purem Eigeninteresse Inhalte aus dem Training konsequent umsetzen.
Häufig wissen Mitarbeiter nicht einmal, was genau bzw. dass die Umsetzung von ihnen erwartet wird. Viele hören sich das Seminar an, sind auch häufig sehr dankbar, neue Ideen und Ansätze bekommen zu haben. Fragt allerdings die Führungskraft zwei Wochen nach dem Seminar: „Was hast du denn jetzt konkret umgesetzt und welche Ergebnisse hast du erzielt?“, dann heißt es oft: „Für die Umsetzung hatte ich noch keine Zeit. Und läuft ja auch so.“
Besser ist es, wenn Führungskräfte mit Mitarbeitern ein konkretes Lernziel vereinbaren, und das möglichst individuell. Bei einem Vertriebstraining könnte beispielsweise die Führungskraft mit einem neuen Mitarbeiter vereinbaren, bis zum Tag x nach dem Training 3 Kunden mit einem Umsatz von jeweils y Euro zu gewinnen. Mit einem anderen Mitarbeiter, der schon länger dabei ist, etwas anspruchsvollere Ziele. Wichtig ist, die richtige Balance bei dieser Zielvereinbarung von individuellem Fordern und Können zu finden – und auch nur ein oder maximal zwei Ziele zu vereinbaren. Bekommen Mitarbeiter in Verbindung mit einem Ein- oder Zwei-Tagestraining zu viele Ziele, besteht oft die Gefahr der Verzettelung. Außerdem: Gewohnheiten ändern braucht Zeit. Wer zu schnell zu viel verändern möchte, ist ebenso schnell aufgrund von Druck und eventuellen Misserfolgen demotiviert.
Fünf typische Umsetzungshindernisse
Können die Teilnehmer nicht unmittelbar nach dem Training das erlernte Wissen regelmäßig anwenden, gibt es keine dauerhafte Verhaltensänderung! Folgende fünf Punkte zeigen typische Hürden auf, die mit entsprechender Planung relativ leicht beseitigt werden können:
- Keine Zeit:
Wer nach dem Seminar gleich wieder vor einem Berg Arbeit steht, wird zwangsläufig in sein altes Verhaltensmuster zurückfallen, um die liegengebliebene Arbeit schnell nachzuholen. Besser ist, schon vor dem Training Zeitfenster für die Zeit nach dem Training zu reservieren, die zum Denken, Reflektieren und Umsetzen der Seminarinhalte genutzt werden. - Scheitern:
Was passiert, wenn der Mitarbeiter nach dem Training bei der Anwendung des erlernten Wissens keinen Erfolg hat? Häufig bleiben Mitarbeiter sich dann selbst überlassen. Lösung: Einmal wöchentlich gibt es einen Austausch unter den Seminarteilnehmern. Hier wird besprochen, was wie bisher funktioniert – und ggf. nach weiteren Lösungen gesucht. Als sehr hilfreich haben sich diese Treffen unter Moderation des Seminarleiters erwiesen. - Falsche Inhalte:
Manche Auftraggeber neigen dazu, möglichst viele Mitarbeiter in einen Seminarraum zu „stecken“. Doch je größer die Leistungsschere zwischen den Teilnehmern, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Trainer Einzelne über- oder unterfordert – und somit unterm Strich weniger erreicht, als wäre die Gruppe von Anfang an in zwei deutlich homogenere Einheiten eingeteilt. - Wunderveranstaltung:
„Ich hole mir jetzt einen Trainer. Der kommt einen Tag, erzählt unseren 20 Leuten mal, wie es geht – und danach wird es laufen!“ Leider ist dieser Gedanke unrealistisch. Lernen und Veränderung brauchen Zeit, regelmäßige Impulse, Ausdauer und vieles mehr. Ein Tagestraining alle Jubeljahre kann zwar inspirieren und motivieren, in der Regel aber nur die besten Mitarbeiter, da diese meist den Anspruch an sich selbst haben, Dinge aus Seminaren auszuprobieren bzw. für sich persönlich weiterzuentwickeln. - Egoismus:
Was passiert, wenn nichts passiert? Gute Frage! Der Alltag in Unternehmen zeigt ein eindeutiges Bild: In der Regel passiert nichts, wenn Mitarbeiter nicht einmal ein paar Inhalte aus einem Seminar umsetzen. Warum sollten diese sich also stressen und ihre bewährte, wenn auch verbesserungswürdige Arbeitsweise verändern? Die Mehrheit der Menschen geht von Natur aus gerne den Weg des geringsten Widerstands. Darum sollten seitens der Führung berufliche Perspektiven, Anreize und Anerkennung für erfolgte Veränderung der Teilnehmer nicht fehlen.
Teilnehmer tragen die Hauptverantwortung
„Ich habe keine Erwartungen an das Seminar. Ich höre mir das heute einfach mal an.“ Teilnehmeraussagen wie diese sind keine Seltenheit. Um ergänzend zu den Lernzielvereinbarungen die Teilnehmer noch mehr in das Training einzubinden und zur Umsetzung zu bringen, haben sich folgende Schritte vor der Bildungsmaßnahme bewährt:
- Die Teilnehmer beschäftigen sich vorab mit dem Seminarthema, ganz egal ob mittels (zusammengefasster) Bücher, YouTube-Videos, Blogartikel oder ähnlichem.
- Ferner bringen sie konkrete Fragen und Fallbeispiele mit, die sie im Training gelöst bekommen möchten.
- Sie blocken vorab gezielt Zeit für nach dem Seminar, welche sie für den Austausch mit Kollegen, Selbstreflexion und Vorbereitung für die konkrete Umsetzung nutzen.
Damit sich die Teilnehmer noch mehr mit der Weiterbildung identifizieren, sollten diese in die Trainerauswahl einbezogen werden. Steht beispielsweise ein Verkaufs- oder Führungskräftetraining an, könnten die betroffenen Mitarbeiter um Vorschläge für einen idealen Trainer gebeten werden. So fühlen sich die Mitarbeiter noch mehr wertgeschätzt, da ihnen nicht einfach ein Trainer „vorgesetzt“ wird. Dies trägt zur Identifikation mit der gesamten Weiterbildungsmaßnahme entscheidend bei.
Ein Tipp zum Schluss: Veränderung braucht Erinnerung + Unterstützung!
Selbst die Menschen, die von sich aus ihr Verhalten ändern wollen, tun sich damit auf Dauer schwer. Zu stark sind die Routinen und Verführungen, wieder nach dem alten Muster zu arbeiten. Darum ist es entscheidend, dass Führungskräfte nicht nur regelmäßig an die Umsetzung erinnern, sondern im Zweifelsfall weitere Hilfestellung geben. Um auch dabei Regelmäßigkeit zu gewährleisten, setzen viele Unternehmen auf Jour-Fix-Termine – evtl. mit dem Trainer gemeinsam. In festen Abständen 60 bis 90 Minuten an bestimmten Themen zu arbeiten, ist enorm wirkungsvoll. Ebenso bei Bedarf vielleicht ein vertiefendes 1:1 Gespräch oder Individualcoaching, statt immer mit der gesamten Teilnehmergruppe. In jedem Fall sichert die Unterstützung des Umfelds, also auch der Kollegen, die Verhaltensänderung des einzelnen Mitarbeiters und verbessert die Lernkultur im Unternehmen.
* Oliver Schumacher, Verkaufstrainer seit 2009, Netzwerk-Profi und Personenmarke, setzt auf sympathische, fundierte Art neue Akzente im Bereich Wissenstransfer, Lernkultur und persönliche Positionierung.
NEOS kritisieren EU-Richtlinie für Kündigung durch Arbeitgeber