Rechtsfragen bei autonomen Fahrzeugen
Autonome Fahrzeuge als Zukunft
Dieser Tage stellte BMW seine Vision iNEXT vor: Als Prototyp ein SUV-artiges Fahrzeug, über dessen Design man trefflich diskutieren kann. Glaubt man den Herstellerangaben, wird dieses Fahrzeug mit seinem avisierten Markteintritt in drei Jahren nicht nur futuristisch anmuten, sondern auch auf technischer Ebene in der Tat so sein. Es wird der Automatisierungsstufe 4 angehören und damit technisch darauf ausgelegt sein, dass die Fahrzeugsteuerung dauerhaft von einer Software übernommen wird, wobei der Fahrer keine weitere Mitwirkung leisten muss, dies allerdings im Fall der Fälle kann. Dieser Grad an Automatisierung wird nur noch von einer letzten, höheren Stufe übertroffen, in der Fahrzeuge überhaupt keinen Fahrer und keine Lenkmöglichkeit mehr vorsehen, sondern Menschen reine Fahrgäste sind.
BMW ist hier nur als einer von zahlreichen Vertretern von Automobil- und Technologieunternehmen, die in einen Wettlauf um die Führerschaft in Sachen Automatisierung des Kfz-Verkehrs eingetreten sind. Auch Google, Tesla, Bosch/Daimler und andere Unternehmen arbeiten an der Entwicklung von Fahrzeugen der Automatisierungsstufen 4 und 5.
Wie bei den meisten technischen Revolutionen hinkt die Gesetzgebung allerdings auch bei autonomen Kraftfahrzeugen der technischen Entwicklung hinterher.
Sind autonome Fahrzeuge im Straßenverkehr zulässig?
Bereits jetzt zeigt sich, dass Kraftfahrzeuge technisch zu einem höheren Grad an Automatisierung geeignet sind, als ihnen – zumindest in Europa – erlaubt ist.
So sieht das Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr von 1968 eine dauernde Fahrzeugbeherrschung durch den Fahrzeugführer vor (Art 8 des Wiener Übereinkommens). Das österreichische Kraftfahrzeuggesetz verhält den Lenker dazu, die Lenkvorrichtung während des Fahrens mit mindestens einer Hand festzuhalten; jedoch bestehen Ausnahmen für Zwecke des Testens automationsgestützter Kraftfahrzeuge (§ 102 KFG). Der deutsche Gesetzgeber erlaubt es dem Fahrer, sich während der Fahrzeugführung mittels hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktionen vom Verkehrsgeschehen und der Fahrzeugsteuerung abzuwenden, sofern er derart wahrnehmungsbereit bleiben, dass er seinen Pflichten jederzeit nachkommen kann (§ 1b Straßenverkehrsgesetz).
Es zeigt sich, dass die teilweise Abgabe der Fahrtätigkeit an Assistenzsysteme in Österreich und Deutschland bereits jetzt erlaubt, in Österreich jedoch auf Testzwecke beschränkt ist. Ferner bestehen in beiden Ländern Regulative, die die Vorteile des automatisierten Fahrens relativieren, etwa indem der Fahrer stets aufmerksam dem Geschehen zu folgen und sich eingriffsbereit zu verhalten hat.
Der zeitgenössische begeisterte, wenngleich kritisch denkende Autofahrer mag sich nun fragen, ob es den Schwächen des menschlichen Wesens gerecht wird, passiven „Autofahrern“ aufzubürden, während automatisierter Fahrten stets aufmerksam und eingriffsbereit hinter dem im Normalfall nicht zu bedienenden Lenkrad auf den hoffentlich äußerst seltenen Notfall zu lauern, in dem die technischen Vorrichtungen ihren Dienst versagen und regelmäßig binnen Sekunden(bruchteilen) über Gedeih und Verderb der Fahrzeuginsassen entschieden wird. Auch muss die Frage erlaubt sein, ob es der Sicherheit des Straßenverkehrs wirklich zuträglich ist, wenn die Aufgabe des Kontrolleurs und im Notfall Einspringenden gerade solchen Menschen übertragen wird, die immer weniger Praxiserfahrung im Lenken von Kraftfahrzeugen haben werden.
Die Voraussage, dass es auch beim Betrieb autonomer Fahrzeuge – jedenfalls in absehbarer Zeit – zu Unfällen kommen wird, dürfte daher nicht zu verwegen sein. Doch wer haftet bei solchen Unfällen?
Haftungsrechtliche Fragen bei Unfällen mit autonomen Fahrzeugen
Das kontinentaleuropäische Zivilrecht stipuliert für die Schadenersatzpflicht einer Person drei wesentliche Voraussetzungen:
- Erstens muss ein Schaden vorliegen. Diese Hürde, anderen zu schaden, dürfte auch bei der Nutzung autonomer Fahrzeuge gekonnt gemeistert werden.
- Zweitens muss ein rechtswidriges Verhalten vorliegen. Rechtswidrig ist es etwa in aller Regel, einen anderen Menschen zu verletzen oder töten.
- Drittens muss der Schädiger schuldhaft, also vorwerfbar handeln. Ihm wird in concreto vorgeworfen, den Schaden entweder vorsätzlich oder zumindest fahrlässig in rechtswidriger Weise zugefügt zu haben.
Bei den Anforderungen zu Zweitens und Drittens zeigt sich die spezifische Problemstellung bei haftungsbegründenden Unfällen mit autonomen Fahrzeugen: Aktuell sieht das österreichische Kraftfahrzeuggesetz vor, dass der Lenker auch bei Nutzung automatisierter Assistenzsysteme stets dafür verantwortlich bleibt, seine Fahraufgaben (zu denen die ständige Bereitschaft zur Humanintervention zählt) wieder zu übernehmen. In Bälde aber wird der „Lenker“ eines Fahrzeugs häufig selbst weder rechtswidrig, noch schuldhaft handeln, und zwar dann, wenn der „Lenker“ zu einem bloßen Fahrgast verkommt.
Um dadurch entstehende Problemstellungen im Keim zu ersticken, ordnete der Gesetzgeber des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes im Jahr 1959 in weiser Voraussicht eine besondere Haftung des Fahrzeughalters an: Er haftet unabhängig von einem rechtswidrigen und schuldhaften Verhalten. Diese besonders weite Haftung wird dadurch begründet, dass der Betrieb von Kraftfahrzeugen eine an sich gefahrengeneigte Tätigkeit ist, sodass jene Person, die den Vorteil aus dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs zieht, auch den Nachteil tragen soll, sofern sich das wesensimmanente Risiko verwirklicht.
Will heißen: Nach der aktuellen Rechtslage wird der Fahrzeughalter bei einem Verkehrsunfall, der etwa softwarebedingt ist, weiterhin haften. Neben dem Halter bleibt die Haftung der Haftpflichtversicherung bestehen. Die heutzutage typische Haftung des Fahrzeuglenkers wird entfallen, sobald es keinen Lenker im eigentlichen Sinn mehr gibt (Automatisierungsstufe 5).