Warum Österreich Lehrlinge braucht und sie dennoch abschiebt
Seit 2015 dürfen Asylwerber in Österreich eine Lehre in Mangelberufen absolvieren. Mit dieser Möglichkeit ist die damalige Bundesregierung dem Wunsch der Wirtschaft nachgekommen, die viele Jahre schon den Mangel an Fachkräften anprangert. Die Liste an Mangelberufen ist klar definiert. Auch gibt es mit 25 Jahren ein Höchstalter für Asylwerber, die eine Lehre in Österreich beginnen wollen. Der Rahmen ist eng und klar. Fast tausend Personen machen von dieser Möglichkeit Gebrauch. Und hunderte von ihnen könnten noch vor Abschluss ihrer Ausbildung abgeschoben werden.
Asylwerber nur in Mangelberufen zu Lehre zugelassen
Darüber, dass die Sache absurd ist, gibt es gar keine Diskussion. Menschen eine Ausbildung in Berufen zu ermöglichen, die in Österreich stark nachgefragt sind und diese Leute dann vor Abschluss ihrer Lehre abzuschieben, ist, wie eine Zielfahne zu schwenken und zugleich ein Bein zu stellen. Wer ist für diese Absurdität verantwortlich? Für Integrationsministerin Karin Kneissl ist völlig klar: Die Unternehmer. Sie meinte in einem ZiB2-Interview, dass sie sich als Arbeitgeber an jenen Personen orientieren würde, die einen positiven Asylbescheid haben.
Das mag sich im ersten Moment logisch anhören. Doch Menschen mit positiven Asylbescheid dürfen jede Art der Ausbildung absolvieren – ebenso wie Österreicher. Asylwerbern die Möglichkeit zu geben, sich in Mangelberufen ausbilden zu lassen, sollte den Zweck erfüllen, der österreichischen Wirtschaft zu helfen. Und da heimische Unternehmen von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, kann man davon ausgehen, dass dieses Gesetz sinnvoll ist.
Breite Front gegen Abschieben von Lehrlingen
Die Liste an Leuten und Verbänden, die das ebenso sehen, ist entsprechend lang: Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner, Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer, der ehemalige Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, der langjährige Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl, die Wirtschaftskammern zahlreicher Bundesländer. Man könnte noch mehr aufzählen – vor allem auch Personen anderer Parteien. Doch dass alleine in der ÖVP eine derartige Skepsis gegen das stupide Abschieben von sich in Ausbildung befindender junger Menschen erkennbar ist, zeigt, dass es für Sebastian Kurz wohl nicht so einfach werden wird, den Konflikt zu durchtauchen.
Besonders heikel ist die Tatsache, dass auf Seite 33 des Regierungsprogramms folgendes Ziel definiert ist: „Schaffung eines Niederlassungstitels zur Absolvierung einer Lehrausbildung“. Warum also ist eine schnelle Implementierung dieses Passus unwahrscheinlich? Weil die derzeit praktizierte Symbolpolitik in diesem Fall im krassen Widerspruch zu einer klugen, Interessen sowie Vor- und Nachteilen abwägenden Politik steht.
Populismus läuft kluger Politik zuwider
Jungen Menschen eine Ausbildung zu ermöglichen – und das in einem Beruf, nach dem die österreichischen Arbeitgeber lechzen – ist eine sinnvolle Sache, mit Gewinnern und ohne Verlierer. Diesen jungen Leuten zu ermöglichen, sogar im Falle eines negativen Asylbescheids, die Lehre zu beenden und dem Herkunftsland damit beim Schaffen von Lebensperspektiven behilflich zu sein, ist ebenso sinnvoll. Doch es darf nicht sein.
Würde die Bundesregierung klug handeln, würde sie die Interessen von allen in dieser Sache Beteiligten – den Arbeitgebern und Lehrlingen – abwägen und folgerichtig handeln, dann würde ihr das als Schwäche ausgelegt werden, als Kniefall. Vor wem oder was spielt keine Rolle. Es ist ein symbolischer Akt. Es geht ums Prinzip. Abschieben soll als klar sichtbares Ereignis inszeniert werden. Und sichtbar ist das Abschieben vor allem bei Leuten, die große Teile der Gesellschaft gerne im Land halten würde. Da nützt es auch nichts, dass der geachtete Industrielle und ehemalige Finanzminister Hannes Androsch in einem Presse-Interview richtig feststellt: „Dümmer und unmenschlicher geht es nicht. Das ist unverantwortlich, auch ökonomisch.“ Die Regierung weiß das nämlich. Sie kann im Sinne ihrer Symbolpolitik nur keine Rücksicht darauf nehmen.