EPU und Armut 1: Was ist Armut?
Jeder, der an Armut denkt, hat ein bestimmtes Bild im Kopf. Eine junge Frau in Kenia, die gemeinsam mit ihren zwei Söhnen von weniger als 1 US-$ am Tag überleben muss. Oder der Typ, der zwei Straßen entfernt wohnt, der zuerst Job und dann Frau verloren hat und nun regelmäßig zum AMS pendelt. Beide Szenarien zeigen Armut – aber in ganz verschiedenen Dimensionen.
Absolute Armut:
Der Begriff der absoluten Armut wurde von der Weltbank eingeführt und folgendermaßen definiert:
„Armut auf absolutem Niveau ist Leben am äußersten Rand der Existenz. Die absolut Armen sind Menschen, die unter schlimmen Entbehrungen und in einem Zustand von Verwahrlosung und Entwürdigung ums Überleben kämpfen, der unsere durch intellektuelle Phantasie und privilegierte Verhältnisse geprägte Vorstellungskraft übersteigt.“
Schon beim erstmaligen Lesen wird klar, dass diese Definition mit Armut in Österreich nichts zu tun hat. Sie bezieht sich auf Probleme in Entwicklungsländern. So gehören zu den Indikatoren der Messung von Armut die Geburtenrate, die Kindersterblichkeit und die Lebenserwartung.
Doch die häufigsten und bekanntesten Indikatoren sind monetäre. Laut Weltbank gelten Menschen als arm, die pro Tag weniger als 1,25 US-$ zur Verfügung haben. Das betrifft zurzeit rund 1,2 Milliarden Menschen. Das heißt, jeder sechste Mensch auf der Welt lebet von weniger als 1,25 US-$ am Tag.
Armut nach Amartya Sen:
Wie bereits gesagt: Würden wir in Österreich die absolute Armut messen, würden wir zu dem Ergebnis kommen, dass es Armut hierzulande überhaupt nicht gibt. Aber auch in einem reichen Land wie Österreich gibt es Armut – nur trägt es hier ein anderes Gesicht. Der Ökonom und Nobelpreisträger Amartya Sen sieht Menschen als arm, die nicht über genügend Ressourcen verfügen, um Teil der Gesellschaft zu sein, in der sie leben. „Menschen murren nicht nur wegen Hunger, sondern auch, weil sie nicht genug Wahlmöglichkeiten im Leben haben.“
Armut ist kein festgelegtes Merkmal, wie das Alter oder das Geschlecht. Armut ist variabel und hängt von der jeweiligen Gesellschaft, vom jeweiligen sozialen Umfeld ab. Um Armut in reichen Ländern messen zu können, braucht es das Konzept der relativen Armut.
Relative Armut:
Bei der Messung der relativen Armut wird in der Regel der Median des Einkommens als Maßzahl herangezogen. Der Median ist nicht das durchschnittliche Einkommen, sondern das mittlere Einkommen. Soll heißen: Von fünf Personen ist das Medianeinkommen das, was der mittlere dieser fünf verdient. Und wer weniger als 60% dieses Medianeinkommens verdient, gilt als armutsgefährdet.
Wer also in Österreich weniger als 1.161 Euro im Monat verdient, ist armutsgefährdet. Und das betrifft jede siebte Person im Lande; oder 14% der Bevölkerung; oder rund 1,2 Millionen Menschen. Aber das Einkommen ist nicht das einzige Merkmal, an dem sich Armut messen lässt. Ob, und wie stark Menschen die Möglichkeit haben an der Gesellschaft teilzunehmen, ist der andere Faktor.
Im nächsten Teil der Serie geht es speziell um die Situation in Österreich. Was bedeutet Armut in Österreich? Wie äußert sie sich? Wer ist hierzulande arm?
Quellen:
TABELLENBAND EU-SILC 2014 – Einkommen, Armut und Lebensbedingungen
http://www.armutskonferenz.at/files/till-tentschert_armut_oesterreich_statistisch-2012.pdf
https://reset.org/knowledge/konzept-und-messbarkeit-von-armut