Kommentar: Mode-los glücklich – Kann man sich der Mode entziehen?
„Mode bleibt Mode, bis sie den Leuten zum Halse heraushängt“, behauptet einer der größten Genies der Modegeschichte – Karl Lagerfeld – und spricht damit vielen Männern und Frauen, die dem heutigen Bekleidungs-Trend-Stress unterlegen sind, direkt aus der Seele.
So entsteht bei vielen Menschen im Laufe ihres Lebens die Überzeugung, dass ein Leben als Modeasket, der sich selbst als komplett trendimmun bezeichnet und behauptet, keine Trends mitzumachen, möglich ist. Doch ist es nicht so, dass der Nachahmungsrieb der Mode, die Anpassung der Menschen und das Tragen neuester Trends nicht auch nachweislich zur Sozialisation in der Gesellschaft und zur eigenen Selbst-Findung beiträgt?
Wer kennt nicht folgende Situation – Man steht morgens vor dem Kleiderschrank, meist mit Aussicht auf einen Termin im Laufe des Tages mit einem bisher unbekannten Kunden und grübelt darüber, welches Outfit wohl am besten geeignet wäre, um beim Gegenüber einen angenehmen Eindruck zu hinterlassen. Und genau HIER steckt eines der wesentlichen Merkmale, welchem sich jeder noch so Mode-Desinteressierte Mensch nicht entziehen kann.
→ Man denkt über sich selbst nach, schließlich erfüllt unsere Kleidung unabhängig von ihrer praktischen Aufgabe auch entscheidende psychische und soziale Funktionen. Mit ihrer Hilfe verwandeln wir unseren Körper in eine sozial bedeutsame Erscheinung und kommunizieren über diese mit unserer unmittelbaren Umwelt, ob wir nun wollen oder nicht. Doch neben der Außenwirkung, welche die Kleidungs-wahl auf unsere Gegenüber hat, gibt es auch eine Innenwirkung, die hier nicht vernachlässigt werden sollte, denn was wir anziehen beeinflusst nicht nur die anderen, sondern auch uns selbst. In Pullover und Turnhose verhalten wir uns anders als im frisch gebügelten Maßanzug. Und gerade bei der Damenwelt entsteht ein großer Unterschied bei der Wahl zwischen Jeans und Sneakers oder Kostüm und High-Heels.
Nun könnte der Anschein entstehen, dass es bei der Wahl der Kleidung nur darum geht, sich anzupassen und die Erwartung anderer zu erfüllen, was sicherlich einen wichtigen Punkt bei der Diskussion um die Wichtigkeit von Mode und Trends darstellt, so versuchen wir doch beim Anziehen auch die Balance zu finden zwischen Anpassung und Abgrenzung. Unser Outfit erfüllt nämlich zwei entscheidende Funktionen: Einerseits signalisieren wir Individualität – So bin ich! – auf der anderen Seite zeigen wir, welcher sozialen Gruppe wir uns zugehörig fühlen.
Wenn einer bunte Pullover, Baumwollhosen und Birkenstock-Latschen trägt, denken wir sofort an Uschi Obermaier und die Hippiezeit der wilden 70er. Ein andere trägt viel zu weite Hosen, die sich beim Laufen vom Gesäß verabschieden, große Turnschuhe ohne Schnürbänder und zum Kapuzenpullover eine Goldkette und ist wahrscheinlich ein Hip-Hop-Fan. Ebenso wird eine junge Dame in Minirock, Lederstiefeln und Netzstrümpfen mit anderen Persönlichkeits-Vermutungen bestraft, als die tierliebe Nachbarstochter im langen Rock und Rollkragenpullover.
Alles nur Vorurteile? – Aber ja! Doch genau diese geben uns die Sicherheit, die wir im Alltag benötigen.
Auch der deutsche Philosoph und Soziologe Georg Simmel, Autor des Buches „Die Mode“, war der Überzeugung, dass Geltungs- und Nachahmungstrieb unbedingt zusammenspielen müssen, denn wo eines fehlt, kann keine Mode stattfinden, was bedeutet, dass sich der Mensch durch das Tragen von Kleidung einerseits abhebt und andererseits anpasst.
Trends kommen und gehen in kürzester Zeit und viele Erwachsene fühlen sich nicht mehr in der Lage oder haben keine Lust mehr, den schnellen Zyklus der Mode mitzumachen, müssen dies aber notgedrungen tun, lässt sich der gewohnte Stil nämlich nur eine begrenzte Zeit lang beibehalten. – Schnitte ändern sich und viele Materialien, die vor ein paar Saisons noch total en vogue waren, gibt es nächstes Jahr schon gar nicht mehr zu kaufen. Und falls es doch einer schafft in irgendwelchen, verstaubten 2nd-Hand-Shops ein Relikt aus vergangenen Zeiten aufzutreiben, muss er enttäuscht feststellen, dass er mit der Schlaghose für Männer so stark auffällt, weil er weit und breit der Einzige in solchen Hosen ist. War er in den 70ern einer von vielen, zugehörig zu einer Jugendbewegung, die mit Love, Sex und Rock’n’Roll die Welt in eine Pinke Wolke hüllen wollte, ist er nun ein Außenseiter und gibt ein ungewollt auffälliges Fashion-Statement ab. Da hilft nur eins: Schlaghose zurück gebracht und gegen unauffällige Bluejeans getauscht – oder als Mode-Freak die Straßen unsicher machen.
Ich bin der Meinung, dass sich gerade die ältere Generation in dem sie mit Mode auf die Gesellschaft reagiert, dagegen demonstriert, zum alten Eisen zu gehören und bereit ist, sich auf die Gegenwart einzustellen.
Wer seiner Unzufriedenheit Ausdruck verleihen möchte, bedient sich alter, längst aus der Mode gekommener Kleidungsstücke, doch wer sich den neuesten Trends entsprechend kleidet, macht es sich leichter, mit dem unaufhörlichen Wandel und den zugehörigen Veränderungen, die das Neue mit sich bringt, Schritt zu halten.
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