Design aus Japan
Seit nunmehr zwei Wochen tummle ich mich über die japanische Hauptinsel Honshū. Wie in jedem Land sind Mentalitäts- und Kulturunterschiede in den einzelnen Regionen spürbar. Während Osaka eher laut, extrovertiert und wild ist, wirkt die Hauptstadt Tokyo gesammelt, zurückhaltend jedoch divers. Dabei habe ich eine kleine Dokumentation über Design aus Japan vorgenommen.
Verstehen, wie Japan tickt: Kulturelle Entwicklung
Die kulturelle Entwicklung von Japan ist komplett anders geprägt als die europäische. Das kommt durch den rasanten Wandel, den Japan aus deren „Mittelalter“ heraus in unsere moderne Zeit in circa 50 Jahren hingelegt hat. Auch die Sprache der Japaner*innen ist strukturell komplett anders, als unsere. Hier sind Sätze karg und knapp. Oft reicht schon ein einziges Wort für etwas, was in deutscher Sprache durch einen ganzen Absatz erklärt werden müsste. Dafür haben Japaner*innen gelernt perfekt in Bildern zu sprechen. Schon im Mittelalter waren lange Rollen mit Bildergeschichten über Sagen und Kriege populär.
Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Mononoke
Japan: Ein Land der Ordnung und Harmonie
In ganz Japan regiert ein Ton von gemeinsamem Konsens, Harmonie und gegenseitigem Mitgefühl. Dies ist nicht mal geheuchelt, denn Japaner*innen achten aktiv auf das Wohlergehen ihrer Mitmenschen. Zum Wohle anderer stellt man sich höflich in den Hintergrund. Das geht einher mit einem strengen Verhaltenscode, den die Japaner*innen in unterschiedlichen Bereichen (wie in der U-Bahn, im Restaurant, beim ersten Treffen) streng befolgen. In einem gut funktionierenden System mit vielen sozialen Codes bleibt wenig Platz für eigene Ecken und Kanten. Diese werden durch vielfältige Mode, schrägeste Arten von Amusement, Speisen und Fantasiewelten ausgelebt. Diese Fantasiewelten kennen wir unter anderem aus den Comics und Zeichentricks der Japaner*innen.
Symboliken aus Manga & Anime
Anime (japanischer Trickfilm) und Manga (Comics, singular), oder Mangaka (Comics, plural) sind nicht nur an Kinder gerichtet. Sie werden auch vom Großteil der Erwachsenen konsumiert, aber zumindest als ein kulturell valider Teil Japans geschätzt. Die japanischen Comics unterscheiden sich sehr von den westlichen. Es gibt weniger Text, dafür mehr Bild. Man liest sich rasant durch die Seiten. Durch die vielen Bilder hat man den Eindruck, dass man einen Film vor dem inneren Auge sieht. Japanische Comic-Künstler*innen haben es dabei perfektioniert „Bewegung“ in statischen Bildern zu symbolisieren, man findet sie eigentlich überall in Design aus Japan. Ein Sternsymbol am Kopf bedeutet bspw. das einem etwas siedend heiß einfällt. Eine schwarz gefärbte Stirn bedeutet jemandem ist schlecht, oder es stößt etwas unangenehm auf. Ein Tropfen, der den Kopf runterrinnt bedeutet, dass dieser Person etwas peinlich ist.
Diese Symboliken sind in Japan gelernt. Jede Person kennt sie. Aus diesem Grunde werden sie zuhauf in Design aus Japan, Werbeschaltungen, Fernsehwerbung, aber auch als kleine Aufmunterungs- und Erklärelemente benutzt. Das sogar in seriösesten Werbungen.
Design aus Japan: Reduziert und aufgeräumt? Eher nicht…
Natürlich gibt es die Seite Japans, die Konzepte der Reduktion vorzieht. Dazu gehören Steingärten, sorgfältige Ikebana-Blumengestecke und die reduziert kunstvoll angerichtete Kaiseki-Küche.
Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Kaiseki
Auch im Bereich des Brandings und des Markendesigns gibt es durchaus hin und wieder Konzepte der Reduktion. Das ist allerdings eher die Seltenheit. Design aus Japan, gerade in der Werbung, ist schrill und expressiv. Genau wie es Japaner*innen perfektioniert haben ihre Geschichten in Mangaka emotional zu erzählen, so ist der emotionale Ausdruck in Werbung perfektioniert.
Übertrieben? Yes Please!
Werbung von Beauty-Produkten strahlen vor Reinheit, während Whiskeywerbung auf überheblich bis cool setzt. Die Symboliken aus Mangaka finden auch hier oft Verwendung, um auf den ersten Blick Bewegung und Emotion in ein Storytelling einzubeziehen. Wenn wir Gebrauchsgrafiken in Japan anschauen, dann wird hier jeder Millimeter strukturiert – und verbaut. Platzsparen ist ein großes Thema in Ballungsgebieten. Japaner*innen haben dies in ihren Wohnräumen genauso perfektioniert, wie in ihren Publikationen, Displays und Flugzetteln.
Auch Hinweisgrafiken, beispielsweise in öffentlichen Verkehrsmitteln, werden von (für uns) kindlich anmutenden Zeichnungen dominiert. Dabei lieben die Japaner*innen im stressigen Alltag die kleine Portion „kawaii“ (jap. süß, niedlich).
Alles in allem ist Japan ein Land der Gegensätze, dass zum erforschen einlädt. Wer es kreativ, bunt, schrill, aber gleichzeitig mit einem Hang zur höchsten Perfektion liebt, der ist hier richtig!