Corona verhindert Insolvenz

Man stelle sich vor: Gemeinsam mit dem Corona-Virus bricht die größte Wirtschaftskrise seit über einem Jahrzehnt auf Österreich, Europa und die Welt herein – und die Insolvenzen von Unternehmen werden im Jahresvergleich weniger. Wie kann das sein? Ein Erklärungsversuch.
Die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen war bisher – so wie die Anzahl der Gründungen – ein Spiegel der ökonomischen Entwicklung. Läuft die Wirtschaft besser, gibt es mehr Gründungen und weniger Insolvenzen. Läuft die Wirtschaft schlechter, gibt es weniger Gründungen und mehr Insolvenzen. In der Corona-Krise läuft es jedoch ganz anders.
Ein Viertel weniger Insolvenzen
Laut einer Erhebung des Gläubigerschutzverbandes Creditreform verringerte sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im 1. Halbjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 24 Prozent. In anderen Worten: Im Zuge der Corona-Krise nahm die Anzahl der Firmeninsolvenzen um ein Viertel ab. Besonders rückläufig waren die Insolvenzen bei unternehmensbezogenen Dienstleistungen, im Handel sowie im Bau. Hinzu kommt, dass bereits die Jahre 2018 und 2019 sehr insolvenzarme Jahrgänge waren.
Corona-Hilfen verschleppen Problem
Die Hilfspakete und Gesetzesänderungen im Zuge der Corona-Krise verhindern – vorerst – zahlreiche Unternehmensinsolvenzen. Vor allem der Fixkostenzuschuss, der bis zu 75 Prozent der Fixkosten ersetzt, sowie der Eingriff ins Insolvenzrecht zeigen sich hierfür verantwortlich. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht im Zeitraum vom 1. März bis 30. Juni 2020 bedeutet, dass auch bei starker Überschuldung keine Verpflichtung besteht, einen Antrag auf Insolvenzeröffnung zu stellen. Für Unternehmen, die aufgrund der Corona-Krise in finanzielle Not geraten sind, und eine Chance haben, künftig wieder Profite einzufahren, ist der Entfall der Insolvenzantragspflicht die Rettung. Der ungewollte Nebeneffekt: Auch jene Unternehmen, die ohne die Corona-Krise im Frühling in Schwierigkeiten geraten wären, müssen keine Insolvenz anmelden.
Gefahr für Geschäftspartner
Sollten die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nicht über den 30. Juni hinaus verlängert werden, müssen überschuldete Unternehmen innerhalb von 60 Tagen nach dem 30. Juni einen Insolvenzantrag stellen.
Eine Gefahr ergibt sich unterdessen für Geschäftspartner und Lieferanten. Der Grund: Überschuldete Unternehmen müssen durch Entfall der Insolvenzantragspflicht nicht mehr offen die drohende – oder bereits eingetretene – Zahlungsunfähigkeit kommunizieren. Laut Creditreform könne dies im schlimmsten Fall zu Insolvenzen von eigentlich gesunden Unternehmen führen.
Treffsichere Hilfsgelder
Die Situation ist denkbar schwierig: Viele Hilfsleistungen des Staates verschieben das Problem der drohenden Zahlungsunfähigkeit nach hinten. Doch ohne diese Hilfsgelder, Kostenübernahmen und Stundungen wären zahlreiche Unternehmen, die ohne Corona erfolgreiche Monate gehabt hätten, bereits insolvent. Das Gießkannenprinzip bei der Verteilung von Hilfsleistungen war eine bewusste Entscheidung des Staates, um Schlimmeres zu verhindern. Doch in den nächsten Wochen und Monaten wird es nötig sein, zielgerichtet zu fördern und zu stützen. Denn eines ist sicher: Die Insolvenzen, die es in der Corona-Krise nicht gab, werden kommen. Sie werden Arbeitsplätze kosten. Und die Politik muss darauf vorbereitet sein.
Quelle:
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200619_OTS0032/creditreform-firmeninsolvenztrends-1-halbjahr-2020-16-insolvenzen-pro-werktag-anhaenge