Betrachtung zum Schulbeginn aus pädagogischer und soziologischer Sicht
In den ersten zwei Septemberwochen wird der Schulstart in ganz Österreich vollzogen. Der Ein- oder Andere hat vielleicht davon gehört und noch im Kopf, dass es im Frühling dieses Jahres zu einem Eklat im Schulhof einer Wiener Schule kam. Da hat offensichtlich ein Schüler massiv einen Lehrer provoziert und dieser ließ sich hinreisen und setzte eine gewalttätige Handlung, um dieser Eskalation vermeintlich ein Ende zu setzen. Das löste naturgemäß heftige Diskussionen aus. Aus diesem aktuellen Anlass und weil die Schule einen Ort darstellt, an dem Menschen zu Erwachsenen herangebildet werden, die Gesellschaft zukünftig mitgestalten.
Vermittlung von relevantem, sozialem und kulturellem Wissen
Schule sollte, hat und hatte die Aufgabe der Vermittlung des Schulstoffes, also inhaltlich „relevantes“ Wissen zu lehren. Genauso bedeutend und wichtig ist die gleichzeitige Vermittlung von sozialem und kulturellem Wissen im Unterrichtsbetrieb. Man kann es durchaus als Disziplinierung bezeichnen. Es geht darum, den Schüler und Schülerinnen beizubringen, wie sie sich in Gruppen und eben in der Schule und damit in hierarchisch geordneten Feldern bewegen können. Regeln, Normen und Werte sollen in einer Art und Weise vorgelebt und gelehrt werden, dass die Absolventen und Absolventinnen dies für ihr zukünftiges Leben gut verinnerlichen können und ihre Leben auf entsprechende Weise gestalten.
Von der autoritären und antiautoritären Erziehung zur wohlwollenden Strenge
Die neuesten Erkenntnisse besagen, dass eine gewisse Disziplin und Ordnung im Klassenverband vorherrschen soll. Denn allzu legerer Umgang mit Regeln und Normen ist nachteilig für die Gruppe, sagt uns die neueste Forschung. Daher wird der Begriff der wohlwollenden Strenge hier kurz besprochen. Regeln sind das Um- und Auf im Zusammenleben und das Lehrpersonal hat die ihnen Anvertrauten damit gut durch den Schulalltag zu führen. Allzu großes Laissez-faire ist nicht angebracht. Denn durch eine wohlwollende Disziplinierung sollten alle was davon haben. Diejenigen, die sich nicht so gerne an Regeln halten und es noch nicht so gut können, sind liebevoll aufgefordert es zu lernen und andere werden dadurch entlastet, wenn eine gute Ordnung im Schulalltag herrscht. Die Anderen, die die Ordnung wollen und genießen, müssen nicht allzu viel leiden, wenn andere Schülerinnen und Schüler im Klassenverband erst diszipliniert werden müssen. Das Wort „wohlwollend“ muss hier großgeschrieben werden. Es darf eben nicht um Machtdemonstrationen und Machtmissbrauch einzelner Lehrer und Lehrerinnen gehen. Damit ist gemeint, dass eine von den Verantwortlichen ausgestrahlte Stärke der gewalt- und machtvollen Durchsetzung weicht. Dies muss mit Konsequenz zur Orientierung aller durchgeführt werden. Nochmals betont geht es in keiner Weise darum, die ehemals praktizierte „Schwarze Pädagogik“ und mit dieser einhergehenden Respektlosigkeit und würdelosen Behandlung von Wehrlosen anzusprechen. Es geht um eine empathische Anleitung der Schüler und Schülerinnen, um diese in weitere Folge auf den Erwachsenenalltag gut vorzubereiten.
Haim Omer und Arist von Schlippe über Stärke statt Macht
Das Autorenpaar weist in einem Kapitel ihres gleichnamigen Buches darauf hin, dass Beherrschung und Präsenz einer Lehrperson entscheidend dazu beiträgt, dass eine Eskalation ausbleibt. Ein indischer Gelehrter sagte einst, dass ein kurzes Innehalten bei jeglicher Art von Konfrontation Stärke demonstriert. Genauso sehen das die besagten Autoren. Entschlossenheit und bedachtes Handeln erweist sich verschiedenen Forschungen zufolge als wirkliche Stärke, die nachhaltig wirkt.
Weiterführende Links:
Juliane Kühn, 2012: Ziele und Methoden der Schwarzen Pädagogik https://www.grin.com/document/271672
Katharina Rutschky, Schwarze Pädagogik, Inhaltsverzeichnis https://d-nb.info/880070021/04
Haim Omer und Arist von Schlippe, 2015: Stärke statt Macht
Gewaltloser Widerstand – Mahatma Gandhi – Radiokolleg: Die große Seele Indiens