Immobilienverkauf ohne Makler: „Ein Ergebnis von jahrelanger Optimierung der Branche“

Das Immobiliengeschäft wandert ins Netz – mit neuen Chancen für Eigentümer. Foto: Hendrik Richter © Nina Witte
Wer heute eine Immobilie inseriert, öffnet kein Zeitungsinserat, sondern einen Browser. Damit verschiebt sich auch die Machtbalance zwischen Eigentümern und Maklern – hin zu mehr Eigenregie und Kontrolle. „Der Makler weiß nichts, was man nicht auch in Eigenregie stemmen kann. Er ist in den meisten Fällen entbehrlich. “, sagt Hendrik Richter, CEO der Plattform ohne-makler.at, und widerspricht damit einer tief verankerten Branchenlogik. Richter sieht im technologischen Fortschritt keine Bedrohung, sondern das Ergebnis jahrelanger Optimierung.
Ein Interview über digitale Sicherheitslücken, alte Gewohnheiten – und warum Österreich beim Thema Immobilien-Digitalisierung womöglich schon einen Schritt voraus ist.
UWEB: Herr Richter, wenn heute eine Immobilie ins Netz gestellt wird, muss alles schnell, einfach und am besten für einen schlanken Taler passieren. Wie sicher ist es heute, im Netz zu verkaufen?
Hendrik Richter: Meiner Meinung nach sehr sicher. Selbstverständlich sollten Hacker und Betrüger nicht kleingeredet werden. Es reichen aber bereits eine gesunde Portion Menschenverstand und ein paar Kniffe, um sorgenfrei eine Immobilie zu verkaufen oder zu vermieten.
Dafür muss man kein IT-Experte sein. Es ist auch nicht erforderlich, einen Makler aus diesem Grund zu beauftragen. Dafür entscheiden sich leider noch zu viele Verkäufer aus Sorge vor Risiken.
Der Makler weiß aber nichts, was man nicht auch in Eigenregie stemmen kann. Er ist in den meisten Fällen entbehrlich. Und das bei niedrigeren Kosten, höherer Nutzerkontrolle und mithilfe von innovativeren Technologien.
UWEB: Welche klassischen Warnsignale gibt es denn zu beachten?
Hendrik Richter: Es gibt einige Muster, die stutzig machen sollten. Angefangen mit den Fotos im Internet. Passen beispielsweise die Fotos einer Stadtwohnung nicht zu der Umgebung im Viertel, kann etwas nicht stimmen. Auch ist das Stichwort Besichtigung ein elementarer Baustein. Unabhängig davon, ob das Haus oder die Wohnung zur Vermietung oder zum Verkauf inseriert ist. Sollte ich als Interessent damit vertröstet werden, dass der Eigentümer derzeit im Urlaub ist oder weit weg wohnt, sollte Abstand bewahrt werden. Eine Besichtigung ist unabdingbar.
Wenn dann auch noch aggressiver Druck ausgeübt wird, zum Beispiel mit der Aufforderung einer vorzeitigen Kautionszahlung, ist der Fall eindeutig. Davon sollte man in jedem Fall die Finger lassen. Das hat nichts mit seriösen Angeboten zu tun. Erst wenn Miet- oder Kaufvertrag rechtsgültig unterschrieben sind, kann Geld fließen. Vorher auf keinen Fall.
UWEB: Sind digitale Bedrohungen im Netz mit den Jahren mehr oder weniger geworden?
Hendrik Richter: Das lässt sich mit vollständiger Genauigkeit kaum sagen. Was aber an Zugkraft gewonnen hat, ist der technologische Vorsprung, der allen Beteiligten an den Immobilienmärkten offensteht und zugutekommt. Transaktionen werden sicherer. Identitätsnachweise zuverlässiger. 3D-Visualisierungen und digitale Grundrisse hochwertiger.
All dies ist nicht per Zufall entstanden. Es ist das Ergebnis von jahrelanger Optimierung der Branche. Insbesondere die Covidzeit war ein Treiber der Branchendigitalisierung. Sowohl in Deutschland als auch in Österreich wurden alte Prozesse vergleichsweise schnell abgelöst, weil es keine Alternative dazu gab.
UWEB: Gibt es konkrete, praktische Tipps, die auch Laien helfen, wenn sie online entweder auf der Verkäufer-/Vermieter oder Käufer/Mieterseite stehen?
Hendrik Richter: Absolut. Summa summarum können sich Suchende wie Anbieter fünf Faustregeln vorstellen. Werden die befolgt, ist man beim heutigen Stand der Technik, auf der sicheren Seite:
- Schnäppchen oder Mondpreisen misstrauen
Werden ungewöhnlich niedrige oder hohe Preise für eine Immobilie verlangt, verbirgt sich dahinter meist kein vertrauenserweckender Verkäufer oder Vermieter. - Nicht im Voraus zahlen
Egal ob Kautionen, Reservierungsgebühren oder Anzahlungen. Bevor nichts unterschrieben ist, wird auch nichts bezahlt. - Identität überprüfen
Dafür reicht eine Videokonferenz, persönliches Treffen, vollständige Kontaktdaten und im besten Fall Grundbuch- oder Eigentumsnachweise. - Keine Steinzeit-Technik verwenden
Sichere Passwörter, Zwei-Faktor-Authentifizierung und moderne Geräte gehören zum Standardrepertoire. - Phishing-Mails sofort löschen
E-Mails die sehr spät und mit einem seltsamen Titel, inklusive x Sonderzeichen versehen sind, sind unmittelbar zu entfernen.
UWEB: Stehen sich Österreich und Deutschland beim Stand der Digitalisierung nah beieinander oder gibt es auf lange Sicht große Innovationsunterschiede?
Hendrik Richter: Wir können nach fast einem Jahr am österreichischen Markt sagen: Es gibt Unterschiede und es gibt Gemeinsamkeiten. Auch wenn Österreich etwas fitter wirkt. Das belegen unter anderem regelmäßige Rankings, zum Beispiel der “Digital Economy and Society Index”, in dem Deutschland vergleichsweise hinterherhinkt. Es sind aber auch praktische Erfahrungswerte mit Kunden und Firmen, die den Unterschied offenlegen.
Österreich punktet zum Beispiel mit modernen Standards, wenn es um Behörden und Bankgeschäfte geht. Beide Länder trennen zwar keine Lichtjahre. Aber wenn man die Märkte gegenüberstellen würde, hätte Rot-Weiß-Rot gegenüber Schwarz-Rot-Gold einen Vorsprung. Ich bin skeptisch, dass der große Nachbar langfristig aufholt. Aber das werden wir sehen, wenn es so weit ist.