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Lehre im Fokus – … ein Praktikum vor dem Lehrvertrag ist sehr ratsam!

KA3Andreas Kudweis übernahm das Schuhatelier Kudweis von seinem Vater. Das Unternehmen wurde von seinem Großvater 1930 gegründet. Bis zum Jahr 2000 wurde im 16. Bezirk in Wien gearbeitet, seither befindet sich das Atelier im 1. Bezirk, in der Wipplingerstraße 15. Dort fand auch das Interview statt.

 

Das Schuhatelier Kudweis gibt es bereits in 3. Generation. Bitte erzählen Sie uns etwas darüber.

Mein Vater hat früher hauptsächlich für das Theater gearbeitet, bis im Laufe der Zeit die Aufträge aus diesem Bereich immer weniger wurden. Das Theater hat immer mehr gespart und historische Stücke wurden weniger aufgeführt. Da wird dann als erstes bei den Schuhen gespart; denn die sieht man am wenigsten. Ein weiterer großer Kunde waren die Vereinigten Bühnen. Die haben dann aber vieles zum Beispiel nach Bratislava ausgelagert. Damit war das Geschäft mit dem Theater so gut wie vorbei.
Ich konzentrierte mich immer mehr auf  die Privatkunden. Da wird der Standort sehr wichtig. Imagemäßig ist der erste Bezirk schon der Beste. Ich muss keine Werbung schalten. Die Wipplingerstraße ist zwar keine Fußgängerzone, dennoch ist viel los; die Leute suchen Parkplatz, entdecken unser Geschäft, schauen herein. Oder sie haben schon mal vom Atelier Kudweis gehört, flanieren am Graben und biegen zu uns ab. Natürlich mache ich viel Geschäft über Empfehlungen. Ab und an gebe ich Interviews. Besonders nett finde ich es, wenn dann jemand, der  beispielsweise in einem Ö1-Beitrag von mir hörte, interessiert vorbeischaut. Das kann auch ein Jahr nach dem gesendeten Beitrag sein.

 

Welche Ausbildung haben Sie gemacht?

Die Lehre habe ich im Betrieb meines Vaters absolviert; im Anschluss daran legte ich die Meisterprüfung ab. Das Gewerbe heißt Maßschuhmacher. Ich mache sowohl Herren-  als auch Damenschuhe.

 

Machen Sie mehr Herren- oder mehr Damenschuhe?

Das hält sich so ziemlich die Waage. Ich habe zwar mehr Herren, die Schuhe bestellen. Bei den Herren bleibt es bei einer gewissen Grundausstattung; die Damen sind da anspruchsvoller und bestellen mehr Schuhe. Für jede Absatzhöhe brauche ich zudem einen eigenen Leisten. Das ist das Aufwändigste am Schuhhandwerk. Man muss ja nicht nur schöne Schuhe machen, sondern die müssen auch perfekt passen!

 

Beschäftigen Sie zur Zeit Lehrlinge?

Momentan beschäftige ich keine Lehrlinge. Ein Lehrlingsmädel ist fertiggeworden. Und ein Lehrmädchen hat im ersten Lehrjahr aufgehört, weil sie wieder nach Deutschland zurückging.

Wieviel Lehrlinge haben Sie insgesamt ausgebildet?

In 12 Jahren bildete ich insgesamt 8, sowohl weibliche als auch männliche Lehrlinge aus.
Ich machte mit älteren Lehrlingen die bessere Erfahrung, weil die genauer wissen, was sie wollen. Die Gesellinnen, die bei mir ausgebildet wurden, sind alle noch in diesem Beruf. Die Lehrburschen waren meist sehr jung und nicht viel älter als fünfzehn Jahre. Sie schlossen die Lehre zwar ab, aber keiner hat mit diesem Beruf weitergemacht. Der eine ist Bademeister im einem Wiener Hallenbad, der andere arbeitet mit seinem Vater gemeinsam in einem medizinisch-technischen Bereich.

 

Warum hat keiner der Lehrbuben in diesem Beruf weitergearbeitet?

Weil sie bei Lehrantritt vermutlich zu jung waren. Die hatten nur eine vage Vorstellung von dem, was diesen Lehrberuf ausmacht. Interessant ist, dass die Burschen viel weniger kreativ mit den Material umgingen, als die Lehrmädel. Die Mädchen haben viel mehr das Kreative aus diesem Handwerk herausgeholt.

 

Überlegen Sie wieder, neue Lehrlinge aufzunehmen?

Derzeit ist eine Gesellin, die bei mir ihre Ausbildung machte, angestellt. Es bewerben sich bei mir immer wieder Lehrlinge. Das sind aber durchwegs ältere Bewerber, die kommen nach der 2. oder 3. Ausbildung und sind oftmals schon Ende Zwanzig.
Vermehrt bewerben sich Personen, weil sie einen Beruf haben wollen, bei dem sie konkret sehen, was sie geleistet haben. Oftmals wird in Berufen, die nichts im klassischen Sinne herstellen, der Sinn der Arbeit vermisst; weil eben nie ein Ergebnis der eigenen Arbeit zu sehen ist. Bei uns im Atelier wird etwas Eigenes geschaffen und man ist von Anfang bis zum Ende damit befasst. Beispielsweise bewarben sich eine Innenarchitektin, eine Medizinerin und einige nach dem absolvierte Kunststudium. Dreißigjährige Lehrlinge sind bei mir keine Seltenheit!

 

Wovon leben die denn, vom Lehrgeld geht das ja nicht?

Die bekommen Förderungen. Teilweise bekommen die Lehrlinge vom FiT-Programm,das sich um Frauen in technischen Berufen bemüht, Geld.

 

Wie hoch ist der Kollektivvertragslohn im ersten Lehrjahr?

© Bild: Maria Nasswetter

Der liegt bei knapp über € 400,-
Die Lehrlingsförderungen sind von Jahr zu Jahr unterschiedlich. Teilweise bekommt der Betrieb auch bestimmte Förderungen, wenn er Lehrlinge beschäftigt.

 

Wie sind prinzipiell Ihre Erfahrungen mit Lehrlingen.

Ich muss wirklich sagen , dass diese durchwegs positiv sind. Ich bin auch mit allen, die bei mir waren in gutem Kontakt.

 

Haben Sie schon mal etwas von der Lobby16 gehört?

Ja, habe ich. Die Lobby16 bemühen sich um junge Flüchtlinge, um sie gut in den Arbeitsmarkt zu bringen. Dabei kooperieren sie mit Unternehmen und betreuen auch während der Lehrzeit sowohl die Lehrlinge als auch die Unternehmen. Aber für meinen Betrieb sind die meistens zu jung…

 

Würden Sie jemanden zu Ihrem Lehrberuf raten?

Dieser Lehrberuf ist ein fast krisensicherer Job. Ich zahle halt über dem Kollektivvertrag, weil mit knapp über € 900,- bekomme ich niemanden, der gut ist. Zwei meiner ehemaligen Lehrlingsmädel haben sich selbständig gemacht. Eine hat ihren Betrieb in München und eine im 2. Bezirk in Wien.

 

Wie sollte der idealtypische Lehrling für Sie sein?

© Bild: Maria Nasswetter

Will man den Beruf des Maßschuhhandwerkes erlernen, sollte man kreativ sein, handwerkliches Geschick haben und sich engagieren. Natürlich ist es sehr wünschenswert, wenn er oder sie selbständig denken und handeln. Das ist halt eher der Fall, wenn die Lehrlinge bereits älter und erfahrener sind.
Ich habe insgesamt vier Lehrlinge nach dem Abschluss übernommen.

Grundsätzlich rate ich jeden, der sich für einen Lehrberuf entscheidet, dass er sich möglichst persönlich vorstellen und bewerben soll. Es ist zudem gut, sich vorher schon über den Betrieb informiert zu haben. Besteht beiderseitiges Interesse, ist es von großem Vorteil, wird noch vor dem Lehrvertragsabschluß ein Praktikum zum Schnuppern in dem vorgesehenen Betrieb absolviert. Dann können beide Seiten viel besser einschätzen, ob es auch der richtige Lehrberuf und die richtige Entscheidung ist. Viele können sich im Vorfeld nicht gut vorstellen, wie dieser Beruf sein wird. Denn der Beruf des Maßschuhmachers ist auch ein körperlich anstrengender Beruf. Das soll aber nicht heißen, dass das Mädchen deshalb nicht schaffen. Man wird auch schmutzig, an den Händen, die Finger werden oft eingefärbt etc. Das sollte man alles berücksichtigen.

Für einige zählt jedoch nicht nur der Gehaltszettel, sondern dass am Ende ein Produkt rauskommt – eines, dass von Anfang bis zum Ende selbst erschaffen wurde.

Ist das auch Ihre Motivation, diesen Beruf des Vaters und Großvaters fortzuführen?

Ich habe das zunächst nicht so gesehen, weil ich das ja immer hatte. Mir ist das erst dann aufgefallen, als ich oftmals darauf angesprochen wurde.

 

Vielen Dank für das interessante Gespräch.

Ich bedanke mich ebenso.

 

Quellen:

http://www.ams.at/service-arbeitsuchende/angebote-frauen/frauen-handwerk-technik

Berufsinformation Schuhmacher

 

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