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„Würden wir nur auf die Noten schauen, bekämen wir keine Lehrlinge”.

© Bild: Fa. Otto Stöckl GmbH

© Bild: Fa. Otto Stöckl GmbH

Serie: Flüchtlinge – Lehrlinge – Unternehmen

Die Firma Otto Stöckl, ein renommiertes Elektroinstallationsunternehmen mit Firmensitz in Wien und 200 Mitarbeitern beschäftigen derzeit 15 Lehrlinge. Um die Erfahrung und die Wichtigkeit, Lehrlinge auszubilden wird es im folgenden Artikel gehen. Und darum welche Erfahrungen es mit Lehrlingen gibt, die nicht in Österreich geboren wurden und hierher flüchten mussten. Das folgende Interview wurde mit Claudia Staller, die organisatorisch bei der Firma Otto Stöckl  für die Lehrlingsausbildung verantwortlich ist, geführt.

Vom Vorteil, bei mittelgroßen Firmen zu lernen.

Die meisten Jugendliche bewerben sich zuerst einmal bei großen, bekannten Unternehmen bzw. Konzernen. Diejenigen, die dort nicht unterkommen, melden sich dann bei uns. Wir sind in der Branche bekannt und renommiert, betreiben allerdings wenig bis kaum Werbung und deshalb ist unser Name in der Öffentlichkeit nicht so bekannt.
Der Vorteil in unserem Betrieb zu lernen ist der, dass die Lehrlinge bei uns vor Ort, an dem jeweiligen Einsatzgebiet das Handwerk von Grund auf erlernen. Bei großen Betrieben gibt es meist Lehrwerkstätten. Das ist möglicherweise nicht so abwechslungsreich, interessant und praxisnah, wie auf einer richtigen Baustelle, so Frau Staller.

Warum Nicht-Österreicher ihr Sprachdefizit mit ihrem großen Engagement wieder wettmachen.

Wir machen derzeit gerade sehr gute Erfahrung mit Lehrlingen aus Afghanistan und Syrien. Diese flüchteten vor ein paar Jahren nach Österreich und sind nun sehr glücklich, einen Lehrplatz bei uns gefunden zu haben. Sie danken es uns mit ihrem großen Fleiß und  Motivation. Vor allem unsere Lehrherren, die Flüchtlinge ausbilden, müssen mehr Geduld und Zeit aufbringen aufgrund des Sprachdefizits, weil man schließlich einiges genauer erklären muss, bis es verstanden wird. Andererseits bekommt man für diesen Aufwand viel Engagement zurück.

Üblicherweise lassen wir zunächst die Kandidaten im Betrieb ein paar Tage schnuppern und schauen dann ob es für beide Seiten passen könnte. Wir teilen in 3 Komponenten ein, die das Potential eines Lehrlings ausmachen. Das sind die schulische Leistung, die fachliche Kompetenz und das soziale Verhalten, erzählt uns Frau Staller.

Gute Integration = gut für die Wirtschaft = gut für uns alle.

Wir denken, dass man möglichst vielen Menschen eine Ausbildung angedeihen lassen sollte. Und das gilt genauso für Menschen, die nicht in unserem Land geboren wurden. Schlimm genug, wenn man aus einem Land flüchten muss. Wenn es gelingt möglichst viele Menschen gut zu integrieren, geht es der Wirtschaft gut und letztlich uns allen auch besser.

Wer sich gut um den Nachwuchs sorgt, sichert die Fachkräfte für die Zukunft.

Wir unterstützen die Lehrlinge zusätzlich, indem wir uns über die Schule umfassend informieren, welcher Lernstoff wann durchgenommen wird. Dieses Wissen fließt in unseren Ausbildungsplan ein. Bei Bedarf beteiligen wir uns an den Kosten für Nachhilfe, die von der Berufsschule angeboten wird.
Unsere Techniker sind gerne bereit, sich dem Lehrling bei Schulproblemen einen Freitagnachmittag zu widmen und mit ihm zu lernen – wenn der Lehrling das möchte.
Ein genauer Ausbildungsplan, der vorgibt, was der Lehrling wann genau können sollte, richtet sich sowohl nach der gesetzlichen Ausbildungsvorgabe, sowie nach dem Schulstoff und den Gegebenheiten auf der Baustelle. Der Wissensstand wird alle 6 – 9 Monate überprüft. Lt. einem Rotationsplan kommen die Lehrlinge dann zu anderen Lehrherren, um die unterschiedlichsten Arbeitsbereiche kennenzulernen. Das alles gehört dazu, meint Frau Staller, um gute Fachkräfte für die Zukunft zu bekommen.

Wir begleiten die Lehrlinge bis zum Abschluss.

Wir sind immer bestrebt, die Lehrlinge zu einem positiven Lehrabschluss zu führen. Unser Ziel ist es, jeden Lehrling nach Beendigung der Lehrzeit im Unternehmen zu behalten.
In der Vergangenheit kam es manchmal vor, dass die Lehrzeit zwar zu Ende war, der junge Mensch sich jedoch nicht dazu durchringen konnte, sich zur Lehrabschlussprüfung anzumelden. Ob aus Prüfungsangst oder durch den Umstand, dass man auch ohne Abschluss gar nicht so wenig verdient – mit ein wenig „Druck“ von Geschäftsleitung und Lehrlingsbeauftragten haben schließlich alle die Prüfung geschafft.

Das Um und Auf, so Frau Staller, ist die gezielte und intensive Betreuung und der verantwortungsvolle Umgang mit diesen jungen potentiellen Arbeitskräften. Das sehen wir als eine wichtige und gute Investition für die Zukunft.

 

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