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Flüchtlinge – Lehrlinge – Unternehmen: Erich Lobinger im Interview

Erich Lobinger ist Lehrlingsbeauftragter im Bereich des Gastronomischen Managements im Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser. Diese Pensionistenwohnhäuser sind in fast allen Wiener Gemeindebezirken vertreten. Das Interview fand im Haus Rosenhügel im 13. Bezirk in Wien statt.

Bitte stellen Sie das Unternehmen und ihre Tätigkeit als Lehrlingsbeauftragter vor.

Wir sind ein Unternehmen, dass 30 Häuser in Wien betreibt. Jedes Haus hat eine Frischküche, das ist dem Unternehmen sehr wichtig. Wir schauen darauf, dass die Lebensmittel biologisch einwandfrei sind. Wir kaufen daher sehr viel von der Stadt Wien. Beispielsweise Kartoffeln, die in Wien angebaut werden, beziehen wir für unsere Küchen. Neuerdings beziehen wir vom Kobenzl Wein, da die Stadt Wien auch guten Wein produziert. Unsere Pensionisten trinken auch gerne mal ein gutes Glaserl Wein.

Wir haben die Verpflegung aller Häuser zusammengelegt und diese firmieren unter dem Kürzel BGM (Bereich gastronomischen Management). Damit können wir aus Kosten- und Logistikgründen effektiver einkaufen, d. h. wir können einen Zentraleinkauf tätigen und haben zu diesem Zwecke mit der Stadt Wien eine Kooperation. Wir legen auch Wert auf Saisonale und regionale Produkte. Das führt uns gleich zu unseren Lehrlingen.

Wir haben 2015 die Zahl der Lehrlinge auf 100 heben können und haben den Ehrgeiz, diese zu halten. Rund 60 Lehrlinge befinden sich im Küchenbereich. Der Rest ist in der Verwaltung und der IT beschäftigt. Wir begannen in den letzten Jahren die Idee, jungen Menschen eine vermehrte Chance zu geben, umzusetzen. Schritt für Schritt steigerten wir die Anzahl der Lehrlinge und jetzt ist der Plafond mit 100 Lehrlingen erreicht.

Was tun Sie nun im Besonderen für diese Lehrlingen.

Wir haben ein Lehrlingskonzept, das unserer Arbeit zugrunde liegt. Das ist sehr umfangreich und ambitioniert. Wir tun nicht nur dem Gesetz genüge, sondern engagieren uns weit darüber hinaus. Wir bieten sehr viele persönlichkeitsbildende Seminare an. Da stehen  Themen wie Teambuilding, Gesprächsführung, Konflikt- und Drama Lernen lernen, Streßmanagement und vieles mehr am Programm.

Dann haben wir uns auferlegt, zwei Exkursionen mit den Lehrlingen pro Jahr durchführen. Dabei besuchen die Lehrlinge den Großgrünmarkt und die Firma Berger in Sieghartskirchen. Wir führen außerdem regelmäßig sogenannte Lehrlingschecks durch. Da wird die praktische Arbeit geprüft und geschaut, wo es Nachholbedarf gibt. Zudem gibt es einmal im Jahr einen Wettbewerb, wo die Lehrlinge ihr Können unter Beweis stellen können.

Je nach Lehrjahr gibt es Aufgaben, die zu erledigen sind. Eine externe Jury, die sich aus durchaus prominenten Köche zusammensetzt bewertet die Ergebnisse. Der Sieger bekommt € 150,- der Zweite erhält €125, der Dritte  € 100,- und zusätzlich gibt es noch freie Tage. Zusätzlich können wir feststellen, wo es Mängel gibt und wir nachbessern müssen. In den kaufmännischen Berufen gibt es genauso einen Wettbewerb mit verschiedenen Aufgabenstellungen.

Nennen Sie uns diesbezüglich bitte ein paar Zahlen und Fakten

Insgesamt haben wir 30 Häuser und 4000 MitarbeiterInnen. Diese etzen sich aus 50 Nationalitäten zusammen und betreuen insgesamt etwa 9.000 BewohnerInnen.

Ganz besonders möchte ich die integrative Lehrausbildung erwähnen. Da haben wir uns 25% Anteil auferlegt, wir haben allerdings bereits einen Anteil von über 30% erreicht.

Was genau ist diese integrative Lehrausbildung?

Für mich es sehr wichtig, den sogenannten benachteiligten Lehrlingen zu helfen. Die bekommen sonst keine Lehrstelle. Es fehlt ihnen in den allermeisten Fällen ein Schulabschluss. Die sind durchaus intelligent, aber das soziale Umfeld war in den meisten Fällen schwierig.

Unsere Bereitschaft ist auch da, Flüchtlinge und unbegleitete Jugendliche auszubilden. Da sind wir gerade dabei, das gut vorzubereiten.

Welche Botschaft und Tipps haben Sie diesbezüglich?

Man darf sich nicht davor fürchten. Man sollte sich allerdings sehr gut im Vorfeld informieren, was das genau bedeutet und auf einen Zukommen kann. Aufklärung auf beiden Seiten ist wichtig und alles, was vorher abgeklärt ist, muss man im Nachhinein nicht ausbaden. Meine Botschaft an andere Unternehmen ist die, dass man den jungen Menschen wirklich eine Chance geben soll und nicht nur darüber reden soll, sondern dem auch Taten folgen zu lassen.

Man sollte sich nicht nur die Einser-Kanditen aussuchen. Es gibt oft einen Sonderschüler, der nicht blöd ist, aber aus eigenartigen Umständen in einer Sonderschule landete. Er hat vermutlich schulische Defizite, die er aber durchaus mit Engagement, Ehrgeiz und Freundlichkeit wieder auszugleichen vermag.
Ich muss schon gestehen, dass ich auch Bedenken hatte, bevor wir mit den integrativen Jugendlichen zu arbeiten begannen. Diese integrative Lehrstelle dauert 4 Jahre. Damit wird den jungen Menschen die nötige Zeit gegeben, sich gut zurechtzufinden und viel zu lernen. Sie bekommen zusätzlich auch eine intensivere Betreuung während der Lehrzeit.

Ich hatte auch ein wenig Furcht davor, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sagen könnten, was sollen wir mit so einem Lehrling, das wird ja nur mühsam. Erlebt haben wir jedoch das genaue Gegenteil! Es gab von Seiten der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen viel Zuwendung und viel Empathie. Weil auch unsere Ausbildner und Verantwortlichen erkannt haben, dass man diesen Leuten unbedingt eine Chance geben soll.

Letztes Jahr hat sogar ein integrativer Lehrling, ein Mädchen, den Lehrlingscheck als Köchin gewonnen! Daran sieht man, dass die Initiative aufgeht.
Wir bilden mit unseren vielen Lehrlingen eine eigene Berufsschulklasse und durch die integrativen Lehrlinge gibt es meist eine zweite Lehrkraft. Von dieser intensiveren Betreuung können wieder alle profitieren. Und interessanterweise sind manchmal die integrativen Lehrlinge fitter in den Fächern Rechnungswesen und Buchhaltung. als das die regulären Lehrlinge sind.

Kann man sich bei Ihnen als Lehrling bewerben?

Man kann sich direkt an uns wenden. Lehrlingszentrum (Haus Rosenberg) ein Bewerbung per mail an lehrlinge@kwp.at schreiben.

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Möchten Sie dem bisher Gesagten noch etwas hinzufügen?

Ja, ich möchte folgendes noch erwähnen. Wir produzieren derzeit pro Tag etwa 1000 Portionen Essen für Flüchtlinge. In zwei von 30 Häusern werden diese Mahlzeiten produziert. Dabei helfen auch die Lehrlinge tatkräftig mit. Das bringt ihnen neben der normalen Lernerfahrung des Tuns zusätzlich die Erfahrung des Helfens. Sie lernen, dass es Menschen gibt, denen man helfen muss und wie das gehen kann. Die Lehrlinge machen das sehr gerne.

In der Früh wird ein Frühstück bereitet, Mittags und abends wird etwas Warmes gekocht. Da ist auch viel Handarbeit dabei, wie das Kartoffel und Gemüse schälen und schneiden. Es kommen dabei immer andere Lehrlinge zum Zug, sodass jeder der Lehrlinge mithelfen kann. Derzeit beliefern wir in das Geriatriezentrum in Lainz, wo Flüchtlinge untergebracht sind. Bis vor kurzem lieferten wir auch ins Otto-Wagner-Spital.

 

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