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Flüchtlinge – Lehrlinge – Unternehmen: Bettina Wiesinger im Interview

© Bild: www.auersperg.at

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Bettina Wiesinger – Hotel Auersperg in der Stadt Salzburg
Das Interview fand vor Ort in der Auerspergstraße im Seminarraum des Hotels statt.

Bitte erzählen Sie uns etwas über Ihr Hotel Auersperg?

Das Auersperg war ursprünglich eine Stadtvilla, erbaut 1895 vom angesehenen Architekten Ceconi. Meine Großmutter eröffnete 1950 die Pension Auersperg – ich darf das Haus nun in der 3. Generation führen. Mit starker Unterstützung meines Mannes – er ist mit seiner Firma Mark’s Plan für die Bauplanung und ,-gestaltung der laufenden Renovierungen zuständig. Das Hotel hat 55 Zimmer mit 40 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen – viele davon in Teilzeit. Unsere Gäste schätzen sehr, dass unser Hotel eine Oase in der Stadt Salzburg darstellt. Wir verfügen über einen großen romantischen Garten mit alten Baumbeständen. Zusätzlich bieten wir einen Dachterrassen Spa  – und das biologische Frühstück können unsere Gäste auf der Terrasse bei Brunnengeplätscher und Vogelgezwitscher genießen.
Ich möchte mein Unternehmen so führen, dass es dem Gemeinwohl dient. Daher haben wir den Betrieb gemeinwohlzertifizieren lassen. Ganz groß schreiben wir dabei die Mitarbeiterförderung.

Bitte beschreiben Sie sich als Unternehmerin.

Ich wuchs im elterlichen Betrieb im Hotel und Spa Haus Hirt in Badgastein auf. Dort erlernte ich das Hotelgewerbe von der Picke auf. Ich absolvierte die Tourismusschule und ging danach für einige Jahre ins Ausland; ich war damals in der Schweiz, in Italien, in den USA und in Teilen Asiens. Danach studierte ich einige Jahre in Wien an der WU. Während des Studiums bekam ich die Chance, das Hotel Auersperg zu führen. Das machte ich zunächst parallel zum Wirtschaftsstudium. Doch irgendwann ließ sich das nicht mehr vereinbaren und ich gab das Studium zugunsten der Führung des Hotelbetriebes auf.
Nach einigen intensiven Jahren und einer 7 Tage Woche – ich bekam die Leitung des Hotels bereits mit 24 Jahren überantwortet – nahm ich mir eine Auszeit. Auf einer spanischen Finka und bei der Tätigkeit des Gemüseanbaus machte ich mir Gedanken darüber wie mein zukünftiges Leben aussehen sollte.
Wieder heimgekehrt beschloss ich meine Arbeitszeit zu reduzieren und weniger im Hotel anwesend zu sein. Das lässt sich aber nur verwirklichen, wenn man beginnt die Kontrolle zu lockern, Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen noch mehr zuzutrauen und alle wissen lässt, wohin die Vision gehen soll.

Sie sprachen darüber, dass Ihnen die Mitarbeiterführung ein besonderes Anliegen ist. Was genau dürfen wir darunter verstehen? Bitte erzählen Sie mehr darüber.

Meine Hauptaufgabe ist es, die Mitarbeiter zu unterstützen. Das umschließt sehr viele Belange. Wichtig ist, dass sie einen Sinn in ihrer Arbeit sehen und dass das Arbeitsumfeld für ihr Wohlergehen förderlich ist. Wir legen daher sehr viel Wert auf die zwischenmenschliche Kommunikation. Neben den Fachseminaren geben wir den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die Möglichkeit persönlichkeitsbildende Seminare zu besuchen. Denn je besser man sich selbst kennt, desto mehr kann der gute Umgang mit den Anderen gelingen. Wir beschäftigen in unsere Hotel Menschen aus 15 verschiedenen Nationen. Da wird viel Toleranz und Wertschätzung gefordert und gefördert.
Seit zwei Jahren gibt es auch die Möglichkeit einer Mitarbeiterbeteiligung. Ein gewisser Betrag, sozusagen Betriebsanteile werden unseren Angestellten zuteil – die Höhe variiert dabei je nach Betriebszugehörigkeit. Mir ist es eine Freude, wenn ich meine Mitarbeiter in jeglicher Hinsicht unterstützen kann:  Seit ich mir selber erlaubt habe, dass es mir gut gehen darf und ich meinen Lebenswunsch erfüllen kann ( ein Familienleben abseits des Hotelgeschehens ), gelingt es mir sehr gut meinen Angestellten die Wichtigkeit auch ihres Wohlfühlens zu vermitteln.

Warum beschäftigen Sie Lehrlinge?

Wir werden ab September einen 2. Lehrling einstellen. Junge Menschen im Team zu haben ist für den Betrieb förderlich, weil es schön ist zu beobachten, wie gut sich ein Jugendlicher entwickelt und man als Arbeitgeber und Mitarbeiter dazu beitragen kann. Gleichzeitig sind Lehrlinge wertvolle Arbeitskräfte, die ein sehr umfangreiches Wissen erlangen. Im Normalfall bleibt der Lehrling 3 Jahre im Betrieb. Die Kosten in diesem Zeitraum sind für den Betrieb sehr entgegenkommend.  Es ist schön zu sehen, wenn man einem jungen Menschen mit der Lehrstelle helfen kann, ein neues Ziel vor Augen zu haben. Die zuvor oft als quälend erlebte Schulzeit kann damit hintan gestellt werden.

© Bild: www.auersperg.at

Warum geben Sie Menschen, die aus einem anderen Land flüchten mussten, die Möglichkeit bei Ihnen zu arbeiten?

Abgesehen davon, daß es schön ist, jemandem, der hier kein zu Hause hat, in ein gutes Arbeitsumfeld zu integrieren und Zugehörigkeit zu ermöglichen, stellt sich nicht die Frage woher der Bewerber kommt, sondern ob er motiviert ist und Interesse zeigt. Und wenn das jemand ist, dessen Muttersprache nicht Deutsch ist, der aber sehr lernwillig ist und diese Stelle als Chance sieht, dann passt das sehr gut für mich.
Tourismus wird als Mangellehrberuf definiert. Daher können Flüchtlinge, die noch keinen Status haben, auch ohne diesen bei uns im Hotel arbeiten. Meiner Erfahrung nach bieten dazu weder die Wirtschaftskammer noch das AMS Hilfestellung weder für Arbeitgeber noch Arbeitnehmer. Das bedeutet, dass es derzeit sehr schwer ist, Betriebe, die dringend Lehrlinge suchen und Asylwerber, die gerne arbeiten möchten, zusammenzubringen.
Wir werden im Herbst einen Asylwerber aufnehmen. Der hat noch keinen Pflichtschulabschluss, kann jedoch ganz gut deutsch. Ich denke, auch wenn er nicht so gut deutsch könnte, wäre er gut einsetzbar und er würde durch seine Arbeit schnell Deutsch lernen. Wir bieten auch Weiterbildungen wie Deutsch,-und Englischkurse an. Eine gute Möglichkeit ist es, auf der Arbeitsuniform ein Schild anzubringen, welches darauf hinweist, dass es sich um einen ‚Trainee‘ handelt. Dann verstehen die Gäste sehr gut, dass sie darauf Rücksicht nehmen müssen. Und das motiviert mitunter sogar den Gast, unterstützend einzugreifen.
Jeder, der sich engagieren möchte, kann das eben tun, indem er sich nicht scheut, auch einen Asylwerber aufzunehmen. Die meisten sind wirklich hochmotiviert und sehr dankbar.

Was können Sie Unternehmern und Unternehmerinnen, die überlegen Lehrlinge aufzunehmen, raten?

Als Betrieb hat man die große Chance einen Jugendlichen beim Heranwachsen zu begleiten und ihn positiv zu beeinflussen. Aus meiner Erfahrung ist das sehr bereichernd und man bekommt sehr viel Positives zurück. Für viele Jugendliche ist es wichtig, auch außerhalb der Familie einen Mentor zu haben. Somit leistet man einen wichtigen Beitrag für die jeweilige Weiterentwicklung und für die Gesellschaft. Allerdings darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, wie es den anderen Mitarbeitern damit geht. Es muss eine gute Ausgewogenheit zwischen allen Angestellten herrschen. Ich kann nur dann nicht ausgebildete Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einstellen, wenn alle das mittragen können. Dabei darf keiner überfordert werden. Wenn man das gut im Auge behält eröffnet sich auch die Chance für meine Crew, Gutes tun zu können und sich selbst tatkräftig zu engagieren.

Gibt es etwas, was Ihnen diesbezüglich noch besonders am Herzen liegt?

Die Vermittlungen zwischen Betrieben und Asylwerbern sollte unbedingt verbessert werden. Es gibt dazu schon einen ersten Schritt in Salzburg. Das ist der Verein fairmatching der Unternehmen und Arbeitssuchende mit Migrationshintergrund zusammenbringen möchte, damit eine sinnvolle und raschere Eingliederung in den Arbeitsmarkt möglich werden kann.
Zudem sollten die Unternehmen selbst aktiv werden, sich umhören und nicht locker lassen. Ich wünsche mir, dass sich in der Richtung noch viel mehr tut und sowohl für die Betriebe, als auch für die Asylwerber auf diese Weise Win-Win-Situationen entstehen können.

 

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