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So revolutionierte Netflix das Fernsehen

Quelle: Tumisu

 

Der erfolgreiche amerikanische Streaming-Anbieter Netflix hat in den letzten Jahren eine unglaubliche Erfolgsgeschichte hingelegt. Der Aufstieg vom Video-Versandhändler zum Star der Unterhaltungsbranche steht im Mittelpunkt eines neuen Buches, das versucht die Hintergründe zu erkunden. Darin erläutert der ehemalige CEO von Netflix, dass das Fehlen jeglicher Regeln mitentscheidend für den Erfolg war. Der Sender hat die Art und Weise, wie Menschen fernsehen, revolutioniert. Kein Wunder also, dass der Erfolg Nachahmer findet.

Vorbildwirkung für andere Branchen

Der Siegeszug des Streaming-Anbieters ist auch in anderen Branchen nicht unbemerkt geblieben. Längst hat der Wettlauf darum begonnen, ein Netflix für Spiele zu etablierten. Ganz vorne mischt dabei der Software-Konzern Microsoft mit. Der ewige Konkurrent von Sony hat mit der kurz bevorstehenden Veröffentlichung einer neuen Generation von Spielkonsolen einen dramatischen Strategiewechsel angekündigt.

Der Fokus von Microsoft liegt nicht mehr auf der neuen Xbox Series X, sondern auf Xbox Game Pass. Dabei handelt es sich um einen Abonnement-Dienst von Microsoft für Videospiele. Dieser kann nicht nur mit der Xbox, sondern auch mit Windows 10 verwendet werden. Er soll zum Netflix für Spiele aufgebaut werden und den Erfolg des großen Vorbildes wiederholen. Die Chancen für diese Idee stehen gut. Kunden sparen sich die teure Hardware und bezahlen lediglich einen monatlichen Betrag. Damit haben sie Zugriff auf eine umfangreiche Spielbibliothek und ersparen sich kostenintensive Flops.

Der Algorithmus denkt mit

Schließlich bietet auch Netflix ein umfangreiches Sortiment an. Dieses umfasst nicht nur Filme und Serien, sondern unzählige Dokumentationen. Dabei setzt der Streaming-Gigant auf jene Algorithmen, die schon das Einkaufserlebnis im Internet revolutioniert haben. Wer beispielsweise den James-Bond-Film „Casino Royale“ gesehen hat, bekommt Streifen mit ähnlicher Thematik automatisch vorgeschlagen. Das wären in diesem Fall die Filme „Mollys Game“ und „Grinders“, in denen ebenfalls Poker eine zentrale Rolle spielt. So wird der Kunde langfristig an Netflix gebunden und kommt gar nicht erst in Versuchung den Anbieter zu wechseln.

Das will Microsoft nun auch in der Gaming-Branche umsetzen. Der Markt für ein Netflix der Spiele ist schon vorhanden, er muss nur noch entsprechend entwickelt werden. Der Erfolg von Netflix hat gezeigt, dass ein neuer Ansatz eine Branche in nur wenigen Jahren völlig umkrempeln kann. Wer das Rennen um eine Gaming-Version von Netflix gewinnt, darf sich zukünftig über Milliarden-Erlöse freuen.

Kundenschub in der Krise

Netflix hat auch von der Krise der letzten Monate profitiert. Betrug die Anzahl der zahlenden Abonnenten am Ende des vierten Quartals 2019 noch rund 167 Millionen, so ist sie innerhalb von nur sechs Monaten auf rund 193 Millionen weltweit angestiegen. Der Börsenwert stieg auf bis zu 232 Milliarden Dollar an. Damit überholte der Streaming-Anbieter sogar den Unterhaltungskonzern Disney. Nur zehn Jahre nach dem Einstieg in das digitale Business, ist Netflix zu einem weltumspannenden TV-Sender aufgestiegen, der kurz davor ist mit seinem Geschäftsmodell die etablierten Sender an den Rand zu drängen.

Längst definiert der Anbieter die Unterhaltungsbranche neu. Binge Watching ist mittlerweile jedem Konsumenten ein Begriff, die zahlreichen Eigenproduktionen haben die Standards neu definiert. Netflix setzt auch schon die Filmindustrie unter Druck und sorgt bei den jährlichen Oscar-Verleihungen abwechselnd für Diskussionen und Aufsehen.

Keine Regeln und vollständige Transparenz

Das neue Buch „Keine Regeln“ zeigt, wie Netflix diesen einzigartigen Siegeszug erreichen konnte. Die Autoren beschreiben in zehn Schritten das Erfolgsrezept des Unternehmens. Ein Punkt sticht dabei besonders heraus. Bei Netflix gibt es keine Regeln. Diese Unternehmenskultur führt dazu, dass sich die kreativen Mitarbeiter wohlfühlen und alles geben. Sie lässt Innovation und Flexibilität zu und lockt scharenweise Talente an. Die Führungsmannschaft geht nach einem klaren Prinzip vor. Sie stellen lieber einen Top-Mitarbeiter, als zehn durchschnittliche ein. Diese werden, wie man es vom Sport kennt, in Dream-Teams versammelt. Wer verzichtbar ist, muss gehen, selbst wenn es hohe Abfindungen kosten sollte. Ziel der Führung ist es sich, sich konsequent von allen Faulenzern und Pessimisten zu trennen. Diese würden lediglich die Leistung der Teams nach unten drücken.

Die Mitarbeiterfluktuation von Netflix liegt bei zwölf Prozent pro Jahr, das ist geringer als der amerikanische Durchschnitt. Damit es zu keinen Jobängsten kommt, setzt Netflix auf eine Kultur der vollständigen Offenheit. Jeder Mitarbeiter kann zu jeder Zeit des Jahres nachfragen, wie seine Leistung beurteilt wird. Gegenseitiges Feedback unter Kollegen und Führungskräften ist Standard. Alle haben Zugang zu üblicherweise sensiblen Informationen. Das betrifft beispielsweise die Bilanzen. Die Mitarbeiter entscheiden selbst, wann und wie lange sie Urlaub haben. Sie übernehmen selbst Verantwortung über finanzstarke Vereinbarungen und müssen sich nicht mit langen Genehmigungsverfahren herumschlagen. Im Buch kann man anhand von zahlreichen Mitarbeiter-Interviews nachvollziehen, wie das in der Praxis funktioniert.


Quelle: Mohamed Hassan

Die agile Unternehmenskultur stößt den Wandel an und lebt ihn täglich. Sie sieht der Ex-CEO als entscheidend für den Aufstieg von Netflix an. Doch selbst in dieser Firma gibt es Bereiche, die nicht ohne Regeln funktionieren. Ist die Zeit für den Quartalsbericht gekommen, muss auch dieser strikten Vorgaben folgen.

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