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Lehre im Fokus: Veronika Braun erzählt warum sie nach der Matura mit einer Lehre zur Buchhändlerin begann

© 3D-Rendering: www.corporate-interaction.com

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Bitte stelle dich vor und erzähle uns welche Lehre du machst?

Ich bin 24 Jahre alt und mache die Lehre zur Buchhändlerin. Ich werde in 2 Monaten meine Lehrabschlussprüfung machen. Meine Arbeitgeberin ist Ulla Harms, die Buchhandlung heißt Buchkontor und befindet sich im 15. Bezirk.
Ich absolvierte die Schule für textiles Kunsthandwerk in der Herbststraße. Die ist fünfjährig und schließt mit der Matura ab. Danach arbeitete ich zwei Jahre lang als Hortbetreuerin und weitere 2 Jahre beim Eis-Greissler in der Rotenturmstraße. Ich wollte und musste mein eigenes Geld verdienen, zumal ich mein eigenes Label Onkaya gründete. Bei beiden Kunstuniversitäten, an denen ich mich mehrmals bewarb, hatte ich kein Glück; sie nahmen mich nicht auf. Daneben musste ich Geld verdienen. Da ich nicht ewig Eisverkäuferin bleiben wollte, kam mir der Zufall zu Hilfe. Es wurde eine Stelle im Buchkontor frei und ich erfuhr davon. Ich mochte Bücher zwar sehr gerne, hatte es mir davor jedoch niemals zugetraut, aber dann war ich schon Mitten im Geschehen.

Wieso soll man nach der Matura eine Lehre beginnen?

Ich glaube, dass ich diese Ausbildung viel wertschätzender und bewusster absolvieren kann. Ich tue mir dadurch leichter als andere in meiner Situation. Man ist in dem Alter schon mehr bei sich und kann das besser aufnehmen und gestalten. Eine Ausbildung zu machen und Geld dafür zu bekommen, ist wirklich gut. Ich wollte immer was mit meinen Händen arbeiten und nicht dieses theoretische auf der Universität lernen. Das Wichtige, dieses Berufes lernt man durch das aktive Arbeiten. Ein ganz kleines Team, mit dem ich mich fast familiär verbunden fühle, so ist meine Lehrstelle für mich. Es ist ein sehr vertrautes und schönes Arbeitsklima.

Warum hat sich deine Chefin für dich entschieden?

Ihr Lehrling hatte mitten in der Lehrzeit aufgehört und meine jetzige Chefin suchte einen neuen Lehrling. Ich war damals unglücklich als Eisverkäuferin. Wir waren uns sehr sympathisch, dennoch brauchte es einen Monat, bis wir uns wirklich füreinander entschieden. Da ich die Matura habe muss ich nur zwei Jahre diese Lehre machen. Ich wohne gleich ums Eck und das in einer sehr schönen Gegend von Wien. Das gehört auch zum Wohlfühlen am Arbeitsplatz.

Was muss man können als werdende Buchhändlerin?

Interesse an Büchern oder sogar die Liebe zum Buch haben, das ist wichtig. Das heißt nicht, dass man alle Bücher kennen muss. Aber man muss das Produkt Buch mögen. Man sollte auf die Leute zu gehen und sich nicht vor Kontakten scheuen. Sonst ist es unangenehm für einen Selbst. Es ist ein körperlich extrem anstrengender Beruf. Man ist immer in Bewegung und liest nicht den ganzen Tag Bücher, wie das vielleicht angenommen wird. Man sollte viel Interesse an Neuem mitbringen und die Lust auf aktuelle Produkte haben. Denn man tut gut daran, immer am neuesten Stand zu sein.

Wieviel Bücher liest du im Jahr?

Ich schaue, dass ich pro Monat zumindest ein neues Buch lese. Ich lese allerdings auch gerne alte Bücher und Klassiker. Ich lese auf jeden Fall mehr als vorher. Wir tauschen uns untereinander im Betrieb aus, wir erzählen uns gegenseitig die Bücher. Mit Freunden und mit KundInnen rede ich auch viel über Inhalte und was ihnen gefiel oder auch nicht.

Was hast du alles gelernt?

Auf jeden Fall Selbstvertrauen. Sich zu trauen, Bücher zu empfehlen. Das ist schon etwas sehr Intimes. Zu erzählen, was einem bewegt hat und berührt. Und alles im Blick zu haben. So ein Rundum-Auge zu erlangen, dass habe ich auch erlernt. In so einem kleinen Betrieb machen Alle alles. Das sind die Warenübernahme, der Verkauf, Bürotätigkeiten, aber auch Ordnung halten, die Kinder der Kunden beschäftigen, während die Erwachsenen die Bücher ansehen und Veranstaltungen vorbereiten. In meiner Klasse sind ein paar Lehrlinge in größeren Betrieben. Die sind nur im Verkauf tätig und wissen gar nicht wie man Bücher bestellt oder Veranstaltungen organisiert. Die lernen das nur, wenn überhaupt, dann theoretisch im Unterricht. Ich hingegen habe das gleich von Anfang an mitbekommen und wurde mehr oder weniger hineingestoßen, was mir sehr gut tat.

Wie hast du die bisherige Lehrzeit erlebt?

Sehr abwechslungsreich und sehr intensiv. Das ist das erste Mal, dass ich Vollzeit arbeite. So viel Neues lernen jeden Tag war ich nicht gewohnt. Man weiß nie, was am nächsten Tag passiert. Ich habe es als sehr bereichernd gefunden. Und man wird immer wieder ins kalte Wasser gestoßen – auf jeden Fall eine sehr lehrreiche Zeit.

Hast du Tipps für Interessenten?

Ich finde das jene, die eine Ausbildung machen möchten und sich in der Schule nicht so leicht tun, eine Lehre machen sollten. Meine Neffen waren in der Schule miserabel und sind jetzt die Besten in ihren Lehrberufen. Wenn man mit dieser Schulstruktur nicht gut zurecht kommt, dann sollte man eine Lehre in Angriff nehmen. Buchhändlerin zu sein ist nicht romantisch, aber sehr schön. Sehr liebevoll und aufregend, weil man immer mit vielen Leuten zu tun hat, aber es überhaupt nicht gemütlich. Es reicht jedenfalls nicht, dass man gerne liest. Man muss auch Lust haben anzupacken und Neues lernen zu wollen.
Viele wollen diese Lehre machen, weil sie gerne Lesen. Man muss aber dieses Produkt Buch verkaufen können; also ein guter Verkaufer sein und die Kommunikation mit den Kunden wollen, dass ist die Quintessenz davon.

Was wirst du nach Abschluss deiner Lehre machen?

Ich werde glücklicherweise in meinem Lehrbetrieb behalten. Allerdings habe ich vor, die Arbeitsstunden zu reduzieren und mich mit meinem Kunstlabel selbständig zu machen.

Erzählt du uns bitte davon?

© ONKAJA

Das Label heißt Onkaja. Das mache ich seit dem Winter 2011. Ich bemale in erster Linie altes Porzellan. Vorwiegend Geschirr, dass ich auf Flohmärkten kaufe. Und dann noch Bilets, Grußkarten und Notizbücher. Hauptsächlich verkaufe ich das über verschiedene Designmärkte, hauptsächlich in Wien. Da biete ich in der Wundertüte am Kamelitermarkt, in der Werkbank in der Breitegasse und bei Sbin in der Burggasse meine Produkte an. Die hat Mitte März 2016 in der Burggasse ihr Geschäft eröffnet. Und wenn es wirklich klappt werde ich über den Online-Shop vom Profil ab Sommer meine Produkte verkaufen.

 

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ONKAJA

 

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