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Lehre im Fokus: … engagierte Lehrherren sollten wieder mehr Lehrlinge aufnehmen!!

© visual: www.corporate-interaction.com Wie ist es bestellt um die Friseurlehrlinge und ihre Ausbildner?

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Wie ist es bestellt um die Friseurlehrlinge und ihre Ausbildner?

Harald Humer hat seit 26 Jahren seinen Friseurbetrieb. Das Geschäft befindet sich im 8. Bezirk in Wien. Bei ihm kann man sich zum Friseur- und Perückenmacher ausbilden lassen. Bisher nahm er etwa 20 weibliche Lehrlinge unter seine Fittiche.

Warum wurdest Du Friseur?

© Bild: Maria Nasswetter
Harald Humer führt seinen Friseurladen mit viel Engagement.

Durch meinen Großvater, weil der den Beruf des Friseurs mit Leidenschaft lebte. Er hat mir, als einzigen männlichen Enkerl, seinen Beruf sehr schmackhaft gemacht. Man lernt viele Leute kennen, man tut der Menschheit was wirklich Gutes, das sind zwei der vielen positiven Argumente, die er brachte. Mein Großvater hat mir von der Picke an die Friseurskunst beigebracht. Meine Eltern waren auch beide Friseure. Und meine Schwester wurde auch Friseurin. Die habe ich wiederum davon überzeugen können, wie toll der Beruf des Friseurs ist. Im ersten Lehrjahr waren mit mir zwei Burschen in der Berufsschule, in den weiteren Lehrjahren war ich der einzige Bursche. Da war ich wirklich der Hahn im Korb. Vom Elternhaus hatte ich, wie gesagt, ganz tolle Unterstützung und Hilfe. In Wels befand sich die Berufsschule, der elterliche Betrieb war in Gmunden. Das war zwischen 1979 und 1982.

 

Wie hat sich dieser Lehrberuf im Laufe der Zeit verändert?

Vom Schulischen her hat sich gar nichts verändert. In der Berufsschule lernt man noch genau dasselbe wie vor 30, 40 Jahren. Damals schon forderten wir eine Fachmatura. Die gibt es  meines Wissens erst seit etwa drei Jahren! Apropos: Drei Jahre Lehrzeit sind meiner Meinung nach für diesen Lehrberuf zu kurz.
Das Problem an diesem Lehrberuf ist, dass er manchmal abgewertet wird.
Ich nehme vorwiegend Lehrlinge, die das Gymnasium abgebrochen haben. Die sind dann 16, 17 Jahre. Diese Lehrlinge sind sehr ehrgeizig, weil sie den Eltern beweisen wollen, dass es so auch geht. Achtzehn von zwanzig Lehrlingen haben bei mir diesen Beruf mit der Lehrabschlussprüfung abgeschlossen.
Ich selber habe auch das Gymnasium frühzeitig verlassen, weil ich nicht mehr nur hineinpauken wollte und es nicht für sehr sinnvoll erachtete, weiterhin in diese Schule zu gehen. Ein Beruf baut sich von unten her auf. Man muss eine gute Basis schaffen. Darauf kann man gut aufbauen, weiterlernen und sich spezialisieren.

 

Warum sollte man diesen Beruf ergreifen und worauf muss man achten?

Der Friseurberuf ist einer, der nie ausstirbt. Der eine gibt mehr, der andere gibt weniger Geld für die Frisur aus. Man ist ein Haarkünstler und damit ist das einer der schönsten Berufe, die es gibt. Wenn man es fachlich wirklich draufhat, dann bekommt man überall auf der Welt einen Job.
Ich bekomme durch meine Lehrlinge mit, dass es Kolleginnen gibt, die in den Betrieben ganz wenig lernen und machen dürfen. Die Lehrbetriebe müssten wirklich mehr kontrolliert werden. Lehrlinge werden leider manchmal nur als Billigstarbeitskräfte gesehen.

Unser Beruf geht in die Richtung Massenware. Da gibt es Ketten, die Lehrlinge aufs Schnellste ausgebilden – Quantität statt Qualität wird hier hochgeschrieben. Die Auszubildenden werden darauf hin aufgebaut, dass sie für den Herren zehn Minuten und für die Dame zwanzig Minuten brauchen. Die Friseurbranche unterliegt seit Jahren einem enormen Preisdumping.
Andererseits gibt es Individualisten, die alleine oder zu zweit arbeiten und das wirkliche Handwerk des Friseurs beherrschen und dementsprechende Qualität liefern.
Ich kritisiere vehement, dass gute Lehrherren zu wenige Lehrlinge aufnehmen. Vermutlich ist es ihnen zu mühsam, den Neuankömmlingen zunächst mal Sozialkompetenzen beibringen zu müssen. Einen Lehrling zu haben bedeutet, sich mit ihm intensiv auseinanderzusetzen, ihm Regeln beizubringen und lehren Verantwortung zu übernehmen. Man selber verpflichtet sich ja auf drei Jahre und muss auch zeitweise pubertäre Befindlichkeiten aushalten.
Mein Ziel ist, dass ich mein Wissen so weitergebe, dass von mir Ausgebildete überall hin gehen können und wirklich kompetent sind.

 

Wie kann man feststellen, welcher Lehrbetrieb die Lehrlinge gut ausbildet?

Das passiert oft über Mundpropaganda, bei mir über meine Kunden. Und über Empfehlungen. Ich glaube, dass ist das Schwierigste überhaupt, dass ein Betrieb ein Lehrlingskonzept hat. Die Angst der Eltern ist durchaus berechtigt, wenn sie Angst haben, dass die Lehrjahre verschwendete Zeit sein könnten. Also sollte man sich wirklich erkundigen und genau darauf schauen, wie gut der Lehrbetrieb Lehrlinge ausbildet.

 

Wie könnte man das Image des Lehrberufes verbessern?

Mich würde so freuen, wenn sich das System ein wenig verändern würde. Also das System sollte sich mehr nach den Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen richten.
Meine Erfahrung ist, dass ältere Lehrlinge mehr bei der Sache sind.

Wo sind die Lehrlinge, die du ausgebildet hast, heute beschäftigt?

Eine ist Make-up Artistin, d.h. sie frisiert und schminkt für Fotos und Shows im internationalen Kontext und ist sehr erfolgreich damit.
Viele Absolventinnen haben Geschäftsführerpositionen, weil sie eben viel können.
Die, die man sehr gut ausbildet, bleiben halt meist nicht, sondern suchen sich weiter Herausforderungen und wollen auch andere Betriebe kennenlernen.

 

Welche Fähigkeiten sollte man als angehender Friseurlehrling mitbringen? Was genau lernt man bei der Lehre in deinem Betrieb?

Neben der Kreativität sollte man den Umgang mit Menschen mögen. Und man sollte viel viel Ehrgeiz mitbringen. Das vertiefe ich dann in den drei Jahren und vermittle ihnen die Freude an diesem Beruf. Spaß hat man in der Freizeit, im Beruf sollte die Freude überwiegen.
Neben der Weitergabe der Techniken lege ich viel Wert auf Kommunikation. Daher gibt es bei mir viele Mitarbeitergespräche. Ganz wichtig ist die Motivation. Ich lasse mir beispielsweise von meinen Lehrlingen die Haare schneiden. Das ist ein großer Motivationsfaktor, da der Lehrling merkt, er wird ernst genommen und dass man ihm vertraut.
Meine Philosophie ist, dass eine Pyramide von unten aufgebaut wird. Wenn ich einen Lehrling aufbaue, dann wird er Stufe für Stufe aufgebaut, um den oberen Zenit zu erreichen.
Ziel muss sein, dass meine Lehrlinge eine angenehme Erinnerung an ihre Lehrzeit haben.

 

Zum Unternehmerportrait:

https://www.unternehmerweb.at/portrait/harald-humer-friseur-eine-firmenphilosophie-ist-das-um-und-auf/

 

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