Site icon unternehmerweb

Podcast 3: 1 Minute Podcast = 1 Stunde Arbeit!?

Eigentlich wollte ich heute zum Thema Storytelling schreiben, dann hat mich ein User-Kommentar zum letzten Artikel erreicht. Nun möchte ich die darin aufgeworfene Frage genauer erörtern.

„Hallo Herr Nasswetter,

wir spielen ebenfalls mit dem Gedanken einen Podcast zu eröffnen, da unsere Zielgruppe sehr stark in diesem Medium verbreitet ist.

Aber der Satz „Es gilt hier eine Faustregel aus der guten alten Radiozeit: 1 Minute Sendung sind 30 Minuten Vorbereitung. Natürlich es manchmal mit Routine schneller, aber eben nicht immer. Planen Sie für den Beginn eher konservativ. 1 Minute Podcast = 1 Stunde Arbeit.“ klingt schon abschreckend.

Natürlich sind wir uns darüber bewusst, dass es Arbeit ist, aber kann man diese Faustregel auf ein Thema münzen, in dem man tagtäglich unterwegs ist und sich auskennt?

Vielen Dank im Voraus und liebe Grüße“

Eine Faustregel und was dahinter steckt

1 Minute Podcast = 1 Stunde Arbeit!? Faustregeln sind bekanntlich Faustregeln. Immer ein wenig Daumen mal Pi. Wenn Sie über ein Thema sehr gut Bescheid wissen und sich tagtäglich damit befassen, dann ist das eine gute Ausgangssituation. Aber Sie müssen bedenken, dass Ihre Zuhörer mit hoher Wahrscheinlichkeit das nicht tun und nicht so nahe am Thema sind, wie Sie. Denn zwischen den Inhalten haben und diese per Podcast verteilen liegt eben genau das Ausarbeiten des Podcasts.

Was ein Podcast leistet und was nicht

Die erste Frage, die Sie sich stellen müssen, ist: Wie weit trifft das „gut Bescheid wissen“ auf meine Kunden und vor allem auf meine Zielgruppe zu? Ein Podcast vermittelt Bilder im Kopf. Mündliche Erzählungen werden anders interpretiert als schriftliche, bildliche oder solche mit bewegten Bildern. Wie gut sind Sie also in der Lage, Inhalte einfach und verständlich in gesprochene Worte zu verwandeln? Und wie gut lässt sich Ihr Wissen in einem Podcast umsetzen? Hören ist völlig anders als sehen. Als Gehirnleistung betrachtet, ist dies deutliche individueller strukturiert als das Sehen. Ein trainierter Musiker benutzt deutlich mehr Regionen seines Gehirns zum Hören und ist deshalb in der Lage das Gehörte deutlich feiner aufzulösen. Ein gutes Beispiel sind Hörspiele. Diese erzeugen bei jedem Zuhörer andere Bilder im Kopf und doch ist die erzählte Geschichte für alle dieselbe. Das müssen Sie bei der Komposition eines Podcasts berücksichtigen.

Das Hantieren mit Worten

Als begnadeter Telefonverkäufer haben Sie beim Hantieren mit Worten vielleicht einen gewissen Vorteil. Aber Vorsicht, sie haben im Podcast keine Möglichkeit einer Spontanreaktion. Und bei einem Podcast wollen die Menschen kaum parallel im Internet auf Ihrer Website surfen. Also müssen Sie ihre Geschichte einfach und spannend erzählen. Dazu haben sie die Ebenen der Sprache, der Musik, der Atmosphäre und des Rhythmus. Sie müssen nicht alle Ebene nützen. Doch achten Sie darauf,  das klassische Interview nicht einfach nur langweilig wird. An dieser Stelle entscheidet die Moderation. Die muss in den meisten Fällen gut vorbereitet werden. Klassische Recherche ist nötig, um gute Fragen zu stellen, damit hoffentlich gute Antworten kommen.

Querhören gibt es nicht

Die zweite Frage, die Sie sich beantworten müssen: Wie schaffe ich es, das Thema als eine spannende Geschichte zu erzählen? Oder besser, wie mache ich viele gute Geschichten daraus? Denn zu vieles in einen einzigen Podcast zu packen – das gelingt selten. Ein Podcast muss linear angehört werden. Das ist etwas völlig anderes als lesen, Bilder betrachten oder Videos schauen. Querhören gibt es nicht!!!

A Star is Born

Das Thema Storytelling wird uns praktisch in jedem Teil der Serie verfolgen und es bleibt das komplexeste, aber auch das am meisten entscheidende Thema. Sie können eine Geschichte auf viele Arten erzählen. Denken Sie einfach an berühmte Theatherstücke und Filme. Ein gutes Beispiel ist der Film „A Star is Born“. Das „Original“ geht auf das Jahr 1937 zurück. 1954 wurde der Stoff mit Judy Garland und James Mason neu verfilmt. Dann 1976 mit Barbara Streisand und Chris Kristofferson und 2018 mit Lady Gaga und Bradley Cooper. Und obwohl alle ungefähr dieselbe Geschichte erzählen, sind sie völlig verschieden. Vor allem wird aber die Geschichte auch verschieden erzählt. Und alle Versionen waren in verschiedenen Kategorien für den Oskar nominiert. Sie sehen es ist möglich eine Geschichte auf unterschiedliche Arten jeweils erfolgreich zu erzählen. Die Wahl der Mittel zur Umsetzung liegt also in Ihrer Verantwortung.

Querhören gibt es nicht – „Production reloaded“

Die dritte Frage ist eine Frage von Gestaltung und Technik. Auch wenn Sie ein perfektes Drehbuch haben, um einen Podcast auf hohem Niveau zu realisieren, brauchen Sie für das Sichten des Rohmaterials, den Rohschnitt, die Aufnahme der Moderation, das Aufnehmen oder die Archivsuche der Atmos (Hintergrundgeräusche), das Aussuchen der passenden Musik, den eigentlichen Schnitt, das Mixing und das Mastering einiges an Zeit. Sie müssen sich die Sachen in Echtzeit immer wieder anhören, bewerten und in den Kontext des Mixes setzen. Das benötigt nochmals wirklich einiges an Zeit, wenn es richtig gut werden soll.

Screenshot einer gehobenen Mehrspur-Podcast-Produktion auf Apple Logic. Moderation, fünf Interviewpartner, originale und mit Archivmaterail verstärkte Atmos, verschiedene Musikebenen und ein akustisches Logo. Gesamtspieldauer: 13:37; Produktionsaufwand ca. 25 Stunden ohne Logoentwicklung. Rechts oben im Bild ein Spezialwerkzeug für den berühmten Lautheitskrieg. Dazu gibt es eine eigene Folge, weil sich Marketingvorstellungen und Hören oft widersprechen.

Rhythmus erfordert Zeit – im doppelten Sinne

Natürlich lassen sich manche Sachen schnell produzieren, aber für einen 15 Minuten Podcast brauchen Sie zum einmal Anhören 15 Minuten. Daran können Sie nichts ändern. Der Schnitt einer Sendung ist das A&O und es gilt im Rhythmus zu schneiden. Das ist für musikalische Menschen kein Problem, aber es erfordert Zeit, denn dazu muss man sich eine Stelle oder einen Übergang meist ein paar Mal anhören und auch als guter Musiker das ganz entsprechend richtig hinschieben. Vorausgesetzt, die Sprache die darüber liegt ist entsprechend dem Rhythmus, sonst muss man noch nachschneiden. Das Halten können und Anpassen eines Rhythmus unterscheidet gute Sprecher*innen von den Ungeschulten.

Dem Ingenieur ist nichts zu schwör

Noch eine paar Worte zur reinen Technik. Wenn Sie Photoshop am Rechner installiert haben, dann sind sie noch lange kein guter Grafiker. Und es gibt natürlich Audio-Plattformen, bei denen kann man eine Stereospuren hochladen und dann laufen im Hintergrund standardisierte Prozesse (Normalisieren, Kompression, Limiting, Expansion, Denoising, etc.) ab.  Damit gelingen einfach Sachen oft sehr gut aber bei komplexeren Podcasts, muss man sich damit dann schon wieder wirklich gut auskennen.

Allein das Thema Mikrofone ist ein eigenes und umfangreiches Kapitel. Es stellt eines der zentralsten Elemente dar, weil Schall in ein digitales Signal umgewandelt wird. Nicht umsonst habe ich mir im Laufe meines Produzentenlebens eine spannende Sammlung an Mikrofonen zugelegt. Und es gibt immer noch Fälle, wo mit einem bestimmten Mikro, das gerade nicht zur Verfügung stand, noch mehr drinnen wäre. Gut, das sind auch Feinheiten, die für die meisten Anfänger keine Relevanz besitzen. Aber allein die Tatsache in einer lauten Umgebung Sprache noch verständlich aufzunehmen, überfordert schon viele Podcaster*innen. Kleiner Tipp: Benutzen Sie in diesem Fall das Handy, viele Handys können gut mit lauten Umgebungen umgehen. Halten Sie den Abstand zwischen Mund und Device klein. Wedeln mit dem Handy/Mikro zwischen Fragetseller*in und Interviewtem ist immer eine gute Idee in lauten Umgebungen.  Solche Aufnahme richtig auszusteuren und eine intelligente Signalbearbeitung einsetzen, das können Handys mittlerweile sehr gut. Aber erwarten Sie sich dann keine cleane Aufnahme, sondern einfach nur eine, die hoffentlich großteils verständlich ist. Qualität sieht letztlich anders aus und dazu geibt es entsprechende Werkzeuge im Werkzeugkasten einer Toningenieur*in.

Zeit ist beim Hören eben mehr als Geld

Ich hoffe, Ihnen ein wenig vermittelt zu haben, was bei einer sorgfältig produzierten Audioproduktion wirklich dahinter steckt. Es ist leider nicht ganz so trivial , wie manche glauben. Man hört leider viel zu selten wirklich gute Podcasts. Ich produziere derzeit für ein weltweit agierendes österreichisches Unternehmen eine Podcast-Serie auf Ö1 Niveau und sobald die ersten Folgen online sind, werde ich anhand einer Folge, die Prozesse dahinter im Detail mit Beispielen zum Anhören vorstellen. Damit soll klar werden, was hinter einem professionell gemachten Podcast alles steckt.

Zum Nachlesen:

 

Exit mobile version