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Die österreichische Sozialpartnerschaft

Sie ist ein Grundpfeiler der Zweiten Republik. Ein Bewahrer des sozialen Friedens. Ein Instrument des parteiübergreifenden Dialogs. Und ein Überbleibsel der einstigen Aufteilung des Landes in eine rote und eine schwarze Hälfte.

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Aus der Geschichte gelernt

Die tiefen Gräben zwischen Sozialdemokraten und Christlichsozialen mündeten in der Ersten Republik in einen Bürgerkrieg. So waren SPÖ und ÖVP angehalten, ab 1945 Zweisamkeit zu demonstrieren. Im selben Jahr wurde ein Komitee gegründet, in dem die Wiener Handelskammer und die Wiener Arbeiterkammer über sozialpolitische Probleme beraten sollten.

 

Aufstieg der Sozialpartnerschaft

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Um die Ziele seiner Mitglieder durchzusetzen, nimmt der ÖGB Einfluss auf politische Parteien und die Regierung.

Ab den 1950er Jahren erstreckte sich der Einflussbereich der Sozialpartner über immer mehr Bereiche der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Die Paritätische Kommission für Preis- und Lohnfragen die 1957 gegründet wurde, bildete einen Meilenstein. Ihr gehören Vertreter der Regierung und die Präsidenten der 4 Interessenverbände (Arbeiterkammer, ÖGB, Wirtschaftskammer, Landwirtschaftskammer) an.

Die Paritätische Kommission wurde formlos gegründet – ohne gesetzliche Verankerung. Sie ist ein Ausdruck der Zusammenarbeit zwischen SPÖ und ÖVP, was vor allem Löhne betrifft. Die Kommission gibt zwar bloß Empfehlungen für Löhne und Gesetze ab. Diese werden aber in der Regel auch eingehalten. So sind fast alle Arbeitnehmer von einem Kollektivvertrag erfasst.

Mächtig – aber nicht immer

Die Sozialpartner haben deshalb Macht, weil die Regierung sie ihnen zugesteht. Aber nicht jede Regierung hat sie ihnen zugestanden. Unter Schwarz-Blau wurden die Sozialpartner oftmals umgangen – waren nicht in Entscheidungsprozesse eingebunden. Die Antwort war ein Generalstreik – der größte seit über 50 Jahren. Schwarz-Blau wollte einschneidende Reformen durchpeitschen. Das Konsensprinzip der Sozialpartnerschaft passte nicht dazu.

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Die Wirtschaftskammern Österreichs vertreten mehr als 450.000 Mitgliedsbetriebe.

Offiziell handeln die Sozialpartner Kompromisse im Sinne aller Arbeitnehmer und aller Arbeitgeber aus. Aber die enge personelle Verflechtung zwischen den Großparteien und den Sozialpartnern ist offensichtlich. Christoph Leitl ist Sozialpartner – sitzt aber auch im ÖVP-Bundesvorstand. Der ÖGB stellt mittlerweile 4 der 7 SPÖ-Minister. In die Sozialpartnerschaft wurde ein Teil der großkoalitionären Politik ausgelagert.

 

Ist die Sozialpartnerschaft noch legitim?

Die Oppositionsparteien sind allesamt aus der Sozialpartnerschaft ausgegrenzt. Die Arbeiterkammer und der ÖGB stehen der SPÖ nahe – die Wirtschaftskammer und die Landwirtschaftskammer der ÖVP. Jede Kammer kämpft auch für sich alleine mit Kritik. So hat die WKO ein mehrheitsförderndes Wahlrecht, das dem ÖVP-nahen Wirtschaftsbund zugute kommt. Sie ist auch mit dem Vorwurf konfrontiert, EPU – das sind 55% ihrer Mitglieder – nicht zu vertreten. Und gleichzeitig vertritt sie bei Lohnverhandlungen alle Arbeitgeber.

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Die AK trägt zum sozialen Frieden in Österreich bei.

Die Wirtschaftskammer hat ein Legitimationsproblem. FPÖ und NEOS versuchen das auszunützen und prangern die Pflichtmitgliedschaft an. Begründet wird das mit Wahlfreiheit. Tatsächlich aber würde das die Sozialpartnerschaft als Ganzes schwächen. Die WKO könnte nicht mehr für sich beanspruchen, alle Unternehmer zu vertreten. Wie kann sie dann noch für alle Arbeitgeber sprechen? Eine Wirtschaftskammer, in der bloß noch 30% aller Unternehmen Mitglieder sind, kann schwer die Stimme aller Arbeitgeber in der Sozialpartnerschaft sein.

 

Die Sozialpartscherschaft funktioniert (noch)

Sie funktioniert deshalb, weil die Interessenverbände dank ihrer großen Zahl an (Pflicht-)Mitglieder fest in der Bevölkerung verankert sind. Aber sie funktioniert nur solange, wie die jeweilige Regierung ihr einen Wert beimisst.

 

 

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Das oberste Organ jeder Landwirtschaftskammer ist die Vollversammlung. Je nach Bundesland besteht diese aus 19 bis 36 Mitgliedern (Landeskammerräte).

Weitere Artikel zum Thema „Kontext“:

Wirtschaftskammerwahlrecht – Folge 6: Wer hat, dem wird gegeben! Ein Kommentar von Benjamin Kloiber. »

Wirtschaftskammerwahlrecht – Folge 5: Frau Löscher geht wählen »

Wirtschaftskammerwahlrecht – Folge 2: Warum die Stimme eines Bankiers 85-mal mehr als die eines Gärtnereibereibers zählt! »

 

Quellen:

http://www.sozialpartner.at/

http://www.sozialpartner.at/sozialpartner/Sozialpartnerschaft_mission_de.pdf

http://www.sozialpartner.at/sozialpartner/Sozialpartnerschaft_Chronologie.pdf

http://www.arbeiterkammer.at/index.html

http://www.lko.at/

http://www.oegb.at/cms/S06/S06_0/home

https://www.wko.at/Content.Node/iv/index.html

 

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