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Flüchtlinge, Lehrlinge, Unternehmen – Innungsmeisterin der Friseure, Karin Dopplinger, im Interview

© Bild: Foto Weinwurm

© Bild: Foto Weinwurm

Das Interview mit Frau Dopplinger fand im Innungsbüro am Rudolf Sallingerplatz 1, 1030 Wien statt.

Bitte stellen Sie sich und ihre Funktion in der Wirtschaftskammer vor.

Ich bin die Landesinnungsmeisterin der Wiener Friseure. Ich selbst führe 2 Salons mit insgesamt 6 Mitarbeiterinnen. Ein Geschäft hat sich auf Perücken, Toupees. Haarverdichtungen, Haarintegrationen und Haarsysteme spezialisiert. Die Nachfrage nach diversen Haarintegrationen bedingt durch Chemotherapien oder Alopecia (Haarverlust) wird immer größer. Es gibt Menschen, die gar keine Körperhaare haben und die, denen nur am dem Kopf keine Haare wachsen. Davon sind auch Kinder betroffen.

Dann gibt es hormonell bedingte Krankheiten. Nach einer Schwangerschaft kann es temporär zu höherem Haarverlust kommen. Bei allen diesen Problemen können wir das passende Produkt anbieten.

Mussten Sie für dieses Spezialangebot eine eigene Ausbildung machen oder lernt man das als Friseurlehrling?

Ich bekam in Österreich die Basis dazu vermittelt, musste mir aber diese Spezialausbildung in Deutschland aneignen. Diese Weiterbildung musste ich mir selber finanzieren.

Was sagen Sie zu folgender Aussage?

Der Friseur Harald Humer, der sein Geschäft in der Strozzigasse, im 8. Wiener Gemeindebezirk hat, stellt im Interview, das er dem UWEB im Mai 2014 gab, fest.

Vor allem Kettenbetriebe dominieren den Markt, und das sind vor allem Großbetriebe, die sich durch Preisdumping kennzeichnen. Meines Erachtens zerstören die das Preisniveau am Markt.
und weiter:
In Sachen Ausbildung hat unsere Branche sehr stark nachgelassen. Die Zukunft sieht nicht rosig aus: es wird immer schwerer werden, MitarbeiterInnen zu finden, wenn du sie nicht selber ausbildest.

Ich sage mal gerade Kettenbetriebe stellen Lehrlingsplätze zur Verfügung. Dass diese Großbetriebe Preisdumping betreiben würden, kann ich nicht unterstreichen. Die Preisunterschiede am Markt ergeben sich durch die Lage, in der sich der Friseurladen befindet. Dann sind die Preise davon abhängig, wie teuer die Produkte, die man einsetzt, sind. Der Lohn, der den Angestellten gezahlt werden müssen, ist sicher der gewichtigste Faktor, der zur Preisgestaltung beiträgt.
Vom Gesetz her müssten der Herren- und Damenschnitt gleich teuer sein. Allerdings ist meistens der Schnitt und das Styling bei der Dame aufwendiger.

Wozu würden Sie in diesem Falle raten?

Ein junger Mann von 18 Jahren, der erst drei Jahren zuvor aus Afghanistan hier her flüchten musste, hat gerade den Pflichtschulabschluss absolviert und sucht eine Lehrstelle. Er ist sehr kreativ, kommunikativ und lernwillig. Er möchte gerne mit seinen Händen arbeiten, daher käme der Friseurberuf für ihn in Frage. Allerdings gibt es bei ihm die Befürchtung, dass er in Zukunft nicht genug verdienen werde, um sich und gegebenenfalls eine Familie ernähren zu können.

Friseure werden immer gesucht und engagierte Friseure noch mehr. Man muss den Beruf leben. Man muss eine Leidenschaft für diesen Beruf haben. Die Löhne, die man recheriert, sind immer Mindestlöhne. Was man dazu bekommt sind Trinkgelder und Provisionen. Wir werden immer verglichen mit dem Jahresdurchschnittsverdienst. Da es in unserer Branche viele Teilzeitkräfte gibt, drücken die auf das Lohnniveau. In der Metallbranche oder in der Managerbranche gibt es kaum Teilzeitkräfte.

© Bild: Foto Weinwurm … einer meiner Friseursalons, der sich im 13. Wiener Gemeindebezirk befindet.

Die Provisionen gibt es beispielsweise, wenn man Mindestumsätze erzielt. In Kettenbetrieben bedeutet das mehr Geld ab einer bestimmten Menge an Kunden.
Ich habe eine Mitarbeiterin, die ist auch aus Afghanistan geflüchtet. Sie wurde beim Wifi Wien über den 2. Bildungsweg ausgebildet. Sie absolvierte die Lehrabschlussprüfung für Damen und Herren in 1,5 Jahren. Das geht, weil sie schon über 18 Jahre war. Friseure werden wie gesagt überall dringend gesucht. Ich habe Sie sofort genommen und bin hoch zufrieden mit ihrer Arbeit. Sie frisiert sowohl Damen also auch Herren und ist sehr beliebt bei meinen Kunden und Kundinnen.

Obwohl die Friseurlehre für Damen und Herren ist, gibt es sehr viele Betriebe in Wien, die ausschließlich Herrenschnitte anbieten. Warum ist das so?

Das sind sehr viele Betriebe, in denen die Betreiber einen Migrationshintergrund haben. Die machten in ihrem Land nur die Ausbildung zum Herrenfriseur. Wenn sie vom Magistrat eine Genehmigung bekommen, können sie so einen Betrieb aufsperren.

Sie sagen, Friseure werden sehr gesucht. Erklären Sie bitte warum?

Die Bevölkerung wächst und fast jeder braucht einen Friseur. Im Friseurberuf haben wir eine sehr hohe Drop-Out-Rate. Das liegt vielleicht daran, dass meist Mädchen, wenn sie nicht mehr in die Schule gehen wollen, gesagt wird, dann mache halt die Friseurlehre. Dass in diesem Fall nicht sehr viel Ehrgeiz und Spaß für den Beruf vorhanden ist, kann man sich denken. Ich vergleiche unseren Beruf immer mit dem eines Klavierspielers. Wir haben, wie der Musiker, ein Repertoire – in unserem Fall jenes an Frisuren. Auch wir brauchen eine hohe Fingerfertigkeit und das wiederum bedingt viel Übung. Der Kunde kommt mit dem jeweiligen Material, den Haaren, der Gesichtsform etc. und wir müssen uns darauf einstellen und sehr einfühlsam sein.

Der Charme männlicher Friseure ist bei Kundinnen sehr beliebt. Allerdings gibt es in der Branche österreichweit nur 10% Männer, die diese Ausbildung machen.

Was kann man nach Beendigung der Lehre alles machen?

Man kann sich von einem Jungstylisten bis zum Top- oder Masterstylisten hocharbeiten. Das ist so bei den meisten Kettenbetrieben. Die Meisterprüfung ist nach wie vor ein erklärtes Ziel, um sich selbständig zu machen. Gerade die Friseure mit österreichischer Ausbildung sind überall auf der Welt anerkannt. Man kann damit im Ausland Arbeit finden. Es gibt viele Länder, wo Friseure einen sehr hohen Stellenwert haben, z.B. in Russland, in England und im asiatischen Bereich, allen voran ist da Japan.

Mit der absolvierten Matura dazu kann man als Lehrer in der Berufsschule arbeiten. Oder man geht zu den Industriefirmen, wie Wella, Schwarzkopf, als Trainer oder Akteure. Diese bieten selber Seminare an und frisieren auf der Bühne für Bühnenshows.

 

Ich danke sehr für das Gespräch.

Ich bedanke mich.

 

Vergleich der durchschnittlichen Einstiegsgehälter ausgewählter Lehrberufe:

EUR 1.560,00 Friseur- und Perückenmacher

EUR 2.070,00 Installations- und Gebäudetechnik

EUR 1.995,00  Augenoptiker

EUR 2.070,00 Kraftfahrzeugtechniker

EUR 1.580,00  Einzelhandelskaufmann

EUR 1.610,00 Buch- und Medienwirtschafter

EUR 2.070,00 Mechatroniker

EUR 1.480,00 Hotel- und Gastgewerbeassistent

EUR 2.290,00 Dachdecker

EUR 1755,00 Konditor

Quelle:

http://www.karrierekompass.at/berufeundtrends.php

weiterführende Links:
http://www.friseur-innung.at/web/innungsteam.html

http://www.haar-studio.com/haarsysteme/

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