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Soziologie für KMU – Die Funktion von Verlegenheit

© 3D-Rendering: www.corporate-interaction.com

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Ein Beitrag auf Ö1 vom 15. Jänner 2016  lässt den Psychologen Jens Bergmann unter anderem kritisieren, daß eine Flut von Persönlichkeitstest existiere, in denen der gesamte Mensch beurteilt werde.

Es ist fahrlässig, menschliche Verhaltensweisen in Zahlen zu gießen.

Es sei eine Anmaßung, so Bergmann, dass man hier die Entwicklung eines Menschen in Maßzahlen gieße. Diese Tests seien teilweise sehr banal, wie beispielsweise der Myers-Briggs-Typenindikator und würde Menschen auf einfache Kennzahlen reduzieren. Das hat natürlich was Verführerisches an sich, denn damit werde Unternehmen und Organisationen suggeriert, dass man mit solchen bürokratischen Verfahren schnell zu einer Entscheidung kommen könne.

Interaktionen in ihrer Vielfalt werden untersucht.

Menschen in ihren Interaktionen sind jedoch viel diverser zu betrachten. Die Verfasserin dieses Artikels wird daher folgend, anhand des Beispiels der sozialen Praxis der Verlegenheit, ein Stück weit die Erkenntnisse des amerikanischen Soziologen Goffman in möglichst verständlicher Form wiedergeben. Den Soziologen und Soziologinnen wird allgemein meist vorgeworfen, sie würden viel zu kompliziert und unverständlich dozieren. Daher sollte es auch diesem Beitrag gelingen, auf verständliche Weise Forschungsergebnisse wiederzugeben.

Die Praxis der Verlegenheit.

Das Beispiel behandelt die soziale Praxis der Verlegenheit. Wir alle kennen Situationen, die verlegen machen. Oft und gerade in der Leistungsgesellschaft wird Verlegenheit mit Schwäche, mit einer Niederlage und Minderwertigkeitsgefühlen assoziiert. Bei Begegnungen auch nur zweier Personen werden sehr viele Organisationsprinzipien wirksam. Der Soziologe Goffman bringt das Beispiel des Zusammentreffens eines Lehrlings mit einem Spezialisten am Gang eines Betriebes. Der Status der beiden, bedingt durch die unterschiedliche Leistungsabgeltung der beiden Protagonisten, ist ungleich. Prinzipiell jedoch sind die Mitglieder, als Beschäftigte eines Betriebes in gewisser Beziehung gleich. Der Status der hier Vorgestellten differiert durch den Umstand, dass nicht die Arbeit an sich, sondern die Art der Arbeit unterschiedlich hoch honoriert wird.

Die exorbitante Abgeltung für Manager.

Vielleicht sind die Ausführungen von Goffman einleuchtender, wenn man sich die oft unsagbar großen und nicht mal annähernd über eine gedachte Mehrleistung nachvollziehbaren hohen Gehälter und Boni von Managern vor Augen hält. Hierbei muss eine klaffende Ungleichheit zwischen dem Überlegenen und dem Unterlegenen bewältigt werden. Bei Begegnungen zweier so unterschiedlich bewerteter Personen werde deshalb das Scherzen zur einer Art Entlastung. Man hievt sich und den Anderen auf eine eigene Sphäre, um mit dieser Ungleichheit fertig zu werden. Dies diene eben der Lösung von Spannungen, verursacht durch die Verlegenheit der im Status schlechter gestellten Person. Mittels Übertreibungen oder dem Spott könne die Ernsthaftigkeit des Konfliktes heruntergespielt werden. Die Teilnehmenden verleugnen damit in gewissem Sinn die Realität. Der Konflikt werde so erfolgreich zurückgedrängt. Damit bewahre man die Prinzipien, während die Identität kurzfristig geopfert werde. Und vor allem: es muss kein Therapeut aufgesucht werden.

Die Reichhaltigkeit von Interaktionen

Wie eingangs erwähnt, werden vielerorts Individuen getestet und anhand der Ergebnisse die Testpersonen beurteilt. Aber so einfach darf es nicht sein und entspricht nur einem sehr vereinfachenden und unrealistischen Bild vom Menschen. Die Ausführungen dieses Artikels zeigen ein Stück weit, dass jeder Akteur über ein reiches Interaktionsrepertoire verfügt. Nur so kann der Alltag mehr oder weniger gut gemeistert werden.

Es braucht viel weniger oft einen Therapeuten, weil nicht das Individuum an sich mit etwas nicht klar kommt, sondern Strukturen es in verschiedenen Situationen erfordern, so und nicht anders zu handeln. Damit ist eine Art von Ausgleichshandlung gemeint, die es ermöglicht mit schwierigen Situationen umzugehen.

 

Quellen:

Der Tanz ums ich. Risiken und Nebenwirkungen der Psychologie auf Ö1
Goffman, Erving, 1986: Interaktionsrituale. Über das Verhalten in direkter Kommunikation. Frankfurt am Main. Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft

weiterführende links zum Thema:

Soziolgie für KMU – Eine Einführung

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