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Eine Geschichte zum Thema explizite und implizite Regeln

© 3D-Rendering: www.corporate-interaction.com

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Ein folgt nun eine kleine Geschichte zum Thema implizite und explizite Regeln. Vor einigen Jahren stellte ein Gastpriester, der neu in einer bestimmten Pfarre im 1. Bezirk in Wien war, ein Schild vor dem Eingang dieser Kirche auf. Darauf stand all das geschrieben, was in der Kirche und vor allem während des Gottesdienstes zu unterlassen sei. Unter anderem war darauf zu lesen, dass man in der Kirche nicht laut reden solle, nicht rauchen dürfe, während des Gottesdienstes nicht herumgehen sollte um zu fotografieren und vieles mehr.

Warum ungeschriebene Regeln aufgeschrieben für Unruhe sorgen können.

Das erregte die Gemüter der Gemeindemitglieder. Sie fühlten sich massiv auf den Schlips getreten und verstanden nicht, warum es plötzlich diese explizite Maßregelung gab. War doch das, was auf dem Plakat stand, selbstverständlich und jeder hielt sich auch bis dato daran, so der Tenor der Kirchengemeinde. Jetzt hatte aber jener neu hinzugekommene Priester beobachtet, dass einige der Kirchenbesucher eben nicht wussten, wie man sich in einer Kirche korrekt verhalten sollte. Er selber kam aus den USA, wo es selbstverständlich war, dass man alles ganz genau auflistet was zu tun und was zu unterlassen sei. Zudem hatte er ja selbst gesehen, dass einige der Kirchenbesucher, oftmals Touristen, wenig darüber wussten, wie man sich in einem solchen Gotteshaus korrekt verhalten sollte.

Wo genau liegt nun das Problem?

Der neue Pfarrer hatte es gut gemeint und hat aus seiner Sicht das einzig richtige getan.
Warum hatten gerade die Alteingesessenen Probleme mit dieser vom Priester gut gemeinten Maßnahme? Weil sie es als es eine Art Affront auffassten, dass diese Selbstverständlichkeiten explizit gemacht wurden. Dieses Wissen hatte in ihren Augen jeder ordentliche Mensch und man müsste sie nicht diesbezüglich maßregeln. Sie glaubten, dass etwas mit ihnen in Unordnung geraten sei und konnten nicht verstehen, warum.

Warum die eben erzählte Geschichte für den Unternehmensalltag interessant ist.

Vieles haben wir in einem bestimmten Kontext und im Laufe der Sozialisation erlernt. Unternehmen haben oft ihre ganz speziell entstandenen und aufgrund der Eigentümerstruktur und der Entstehungsgeschichte des Unternehmens eigene Regeln und Gebräuche. Die bis ins Detail zu verstehen und vor allem danach adäquat zu handeln ist nicht immer leicht. Man könnte mit dem Soziologen Pierre Bourdieu sagen, dass jedes Unternehmen über einen bestimmten Habitus verfügt. Mit Habitus ist das einverleibte Verhalten gemeint, dass man sich im Laufe der Sozialisation aneignet. Je nach Umgebung, Vorbilder und Einflüsse wird nach einem bestimmten Muster gehandelt. Intuitiv und erlernt werden die, in dem jeweiligen Umfeld erwünschten Verhaltensweisen und sind somit verinnerlichtes Tun. Dies geschieht implizit und mit einem Wissen, dass vorausgesetzt wird. Daher werden jene, die nicht aus dem gleichen Umfeld kommen, es schwerer haben, manch eine Verhaltensweise oder auf ein Geschehen adäquat reagieren zu können.

Ein möglicher Weg zur Besserung…

Vielleicht regt diese Geschichte und die theoretischen Überlegungen dazu an, in Zukunft nicht den Unwillen eines Mitarbeiters als Grund für etwaige Missverständnisse zu deuten sondern die nicht verstandenen impliziten Regeln dafür verantwortlich zu machen. Und dann muss man kommunizieren und versuchen dementsprechend sachlich aufzuklären. Unternehmen sind hochkomplexe soziale Strukturen. Zu verstehen, was dabei vor sich geht, ist nicht immer leicht.

 

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