Site icon unternehmerweb

Haftungsfragen bei selbstfahrenden Kraftfahrzeugen

selbstfahrende autos

Ausgangslage

Wir schreiben das Jahr 2018: Einparkhilfen, Spurthalteassistenten, Stauassistenten und Geschwindigkeitsadaptierungssysteme, die allesamt automationsgestützt funktionieren, sind in Kraftfahrzeugen der Oberklasse standardmäßig vorzufinden. Zugleich berichten Medien von ersten schweren Verkehrsunfällen, die auf ein technisches Versagen derartiger Fahrassistenzsysteme zurückzuführen sein dürften.

Es ist davon auszugehen, dass bis zum Jahr 2020 die Entwicklung vollautomatischer Kraftfahrzeuge soweit fortgeschritten ist, dass solche Kraftfahrzeuge betriebs- und verkehrssicher sind und zum Betrieb im allgemeinen Straßenverkehr zugelassen werden. Im Lauf der 2020er-Jahre ist mit der Massentauglichkeit vollautomatischer Kraftfahrzeuge zu rechnen; sie werden im Straßenbild zunehmend Einzug finden.

Mit dieser Entwicklung geht eine brennende Frage einher: Wer übernimmt die Haftung, wenn Verkehrsunfälle nicht mehr auf menschliches Versagen eines Fahrers, sondern auch Softwarefehler zurückzuführen sind?

Gesetzeslage

Während in Deutschland das dortige Straßenverkehrsgesetz (StVG) um Bestimmungen, die spezifisch Kraftfahrzeuge mit hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktion betreffen, ergänzt wurde, nahm der österreichische Gesetzgeber bislang keine umfassende Kodifizierung des aktuellen Kraftfahrzeug- und Straßenverkehrsrechts vor.

Zwar wurde hierzulande eine Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie über Rahmenbedingungen für automatisiertes Fahren (AutomatFahrV) erlassen, diese regelt aber in erster Linie die Frage, wann und unter welchen näheren Umständen in Kraftfahrzeugen Assistenzsysteme und automatisierte oder vernetzte Fahrsysteme Anwendung finden dürfen. In haftungsrechtlicher Hinsicht beschränkt sich die AutomatFahrV darauf, den Bestand einer aufrechten Haftpflichtversicherung als Voraussetzung für die Nutzung von Assistenzsystemen und automatisierten oder vernetzten Fahrsysteme vorzusehen. Diese Vorgabe löst aber nicht die Frage, wer (oder wessen Versicherung) bei Unfällen haftbar gemacht werden kann. Zur Beantwortung dieser Fragen ist aktuell auf allgemeine schadenersatzrechtliche Grundsätze Bedacht zu nehmen.

Verschuldenshaftung des ABGB

Die in der Praxis meisten schadenersatzrechtlichen Fälle sind über das Institut der Verschuldenshaftung zu lösen. Letzteres besagt vereinfacht ausgedrückt, dass die erfolgreiche Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen nicht nur davon abhängt, dass ein Schaden vorliegt, der rechtswidrig (etwa infolge eines Gesetzesverstoßes) zugefügt wurde; vielmehr muss auch ein schuldhaftes Verhalten des Schädigers vorliegen. Schuldhaft ist ein Verhalten dann, wenn es dem Schädiger persönlich zum Vorwurf gemacht werden kann, weil der Schädiger vorsätzlich oder zumindest fahrlässig gehandelt hat. Verschulden impliziert, dass der Schädiger die Möglichkeit hatte, sich anders – nämlich rechtmäßig – zu verhalten und dass diesfalls der konkrete Schaden nicht eingetreten wäre.

Aus dem Gesagten ergibt sich im Kontext automationsgestützter Kraftfahrzeuge eine Auffälligkeit: Die allermeisten Unfälle werden über kurz oder lang dem Fahrer nicht mehr zum Vorwurf gemacht werden können, denn sie werden häufig auf technische Vorgänge im Kraftfahrzeug zurückzuführen sein, auf die der Fahrer keinen Einfluss hat. Anderes mag gelten, wenn der Fahrer vorgeschriebene Services durchzuführen unterlässt oder Kraftfahrzeuge unzulässiger Weise tunet. Im Regelfall aber wird ein technisches Gebrechen dem Fahrer nicht zum Vorwurf gemacht werden können. Eine Verschuldenshaftung des Fahrers scheidet damit aus.

Gefährdungshaftung des EKHG

Erfreulicher Weise, so könnte man meinen, sah der Gesetzgeber des Jahres 1959 diese nunmehr schlagend werdende Problematik in weiser Voraussicht kommen und reagierte zeitgerecht darauf. Denn in diesem Jahr trat das Bundesgesetz über die Haftung für den Ersatz von Schäden aus Unfällen beim Betrieb von Eisenbahnen und beim Betrieb von Kraftfahrzeugen (EKHG) in Kraft, das für die meisten Unfälle mit Kraftfahrzeugen eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung des Fahrzeughalters vorsieht.

Dieser liegt der Gedanke zugrunde, dass der Betrieb von Kraftfahrzeugen eine an sich gefahrengeneigte Tätigkeit ist, sodass das Risiko der Verwirklichung immanenter Risken den treffen soll, der den Vorteil aus dem Betrieb von Kraftfahrzeugen zieht: Den Fahrzeughalter.

Dieser Grundgedanke verliert durch automationsgestützte Systeme nichts an seiner Aktualität. In Zukunft dürfte daher der technik-bedingte Verkehrsunfall regelmäßig eine Haftung des Fahrzeughalters nach sich ziehen.

Produkthaftung des Fahrzeugherstellers

Offen bleibt die Frage, ob nicht der Fahrzeughersteller – dem ein technisches Versagen von Einrichtungen des Kraftfahrzeugs am ehesten zum Vorwurf gemacht werden kann – (auch) haftbar gemacht werden könnte. Eine solche Haftung könnte auf zweierlei Grundlage fußen:

Zusammenfassung

Im Fall von Verkehrsunfällen mit Kraftfahrzeugen wird regelmäßig der Fahrzeughalter haften, sofern der Unfall auf ein technisches Gebrechen der Software des Fahrzeugs zurückzuführen ist. Ob außerdem eine Haftung des Fahrzeugherstellers nach dem PHG eingreift, wird die Rechtsprechung auslegen müssen, sollte der Gesetzgeber nicht zuvor klare Regelungen aufstellen. Die Haftung des Fahrers hingegen wird mit dem Einzug automationsgestützter oder gar autonomer Fahrzeuge nur noch selten eingreifen.

 

Exit mobile version