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ÖVP-Wirtschaftsprogramm: Großunternehmer müsste man sein

bundesadler schwarz

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Keinem Wahlprogramm wurde so entgegengefiebert, wie dem, der ÖVP. Als letzte der Parlamentsparteien präsentierte der Parteichef Sebastian Kurz den ersten Teil seines dreiteiligen Programms vor einer aus lauter Spannung kaum noch auf den Stühlen zu haltenden Nation. Einige Zeit später präsentierte er den zweiten Teil. Über den dritten Teil war bis zum 25. September – 20 Tage vor der Wahl – noch nichts bekannt.

Warum Programme zählen

Sebastian Kurz verkörpert einen Trend: In vielen Wahlen der letzten Monate standen Personen und deren Inszenierung als die zu Fleisch gewordene Veränderung im Mittelpunkt – und keine politischen Inhalte. Leider. Denn es sind Gesetze, die unser aller Leben und den Wirtschaftsstandort Österreich beeinflussen. Es sind Gesetze, von denen es abhängt, wie viele Steuern wir zahlen und wie breit unser Sozialstaat aufgestellt ist. Und welche Gesetze eine Partei vorhat zu beschließen, steht in deren Wahlprogramm.

Aus diesem Grund handelt dieser Artikel nicht über Sebastian Kurz, sondern ausschließlich über die zwei Drittel seines Wahlprogramms, die er der Öffentlichkeit bereits vorgestellt hat. Erst im Fazit bin ich schwach geworden und hab ihn doch noch mit ein paar Worten bedacht.

Lohnsteuer runter

Fangen wir mit dem Gewöhnlichen an: Wie alle Parteien will auch die ÖVP Lohn- und Einkommensteuer senken. Zusätzlich will man die kalte Progression abschaffen. NEOS und FPÖ nahmen die ÖVP beim Wort und wollen die kalte Progression noch vor der Wahl abschaffen. Eine Zustimmung der ÖVP gilt als unwahrscheinlich. Diesen Erfolg will die Partei erst einfahren, wenn sie den Kanzler stellt.

4 Milliarden Entlastung! Aber für wen?

Die ÖVP will die Körperschaftssteuer auf nicht entnommene Gewinne abschaffen. Das Ziel sei „mehr Wachstum, Investitionen und Eigenkapital“. Diese Reform würde Unternehmen jährlich um 4 Milliarden Euro entlasten. Allen voran die Industriellenvereinigung feiert diesen Vorschlag. Kritisch ist er dennoch zu sehen – und das aus mehrerlei Gründen.

Erstens: Es sind nicht „die Unternehmen“ die davon profitieren. Es sind GmbHs und Aktiengesellschaften. Keine Einzelunternehmen. Keine EPU. Und wie die Wirtschaftskammer selbst feststellt: „Das Einzelunternehmen ist die in Österreich meist verwendete Rechtsform.“ Das heißt: Nicht „die Unternehmen“ ersparen sich rund 4 Milliarden Euro jährlich. Es ist die Minderheit der Unternehmen, die bisher schon die größten Gewinne erzielt.

Zweitens: Die ÖVP meint, durch diese Steuererleichterung würde mehr investiert werden und Arbeitsplätze würden gesichert werden. Ja, die Kapitalgesellschaften würden mehr investieren. Aber (bis auf kleine GmbHs) nicht in die Realwirtschaft – sondern in die Finanzwirtschaft. Und das brächte ein abstruses Ergebnis zutage: Wenn Einzelunternehmer, EPU und auch Arbeitnehmer Aktien kaufen, „müssen sie vorher ihre Einkommen versteuern – die Kapitalgesellschaften aber nicht“, wie der Ökonom Stephan Schulmeister richtig erklärt.

Drittens: Die ÖVP zieht Estland als Vorbild heran. Denn deren BIP ist seit 2011 um 3,2% gewachsen. Das österreichische nur um 1,1%. Die Steuern seien verantwortlich dafür. Aber: Estlands BIP pro Kopf liegt bei 17.891 US-Dollar. Österreichs bei 44.176 US-Dollar. Das BIP in Österreich ist also weit mehr als doppelt so hoch, wie jenes in Estland. Oder anders ausgedrückt: Wo wenig ist, kann viel wachsen.

Gewinnbeteiligung für Mitarbeiter

Weiter im Programm: Die Lohnnebenkosten sollen gesenkt werden, indem man den Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds halbiert. Damit würden die Lohnnebenkosten von 36% auf 34% sinken.

Gewinnbeteiligungen für Mitarbeiter sollen forciert werden, um Unternehmens- und Mitarbeiterinteressen in Einklang zu bringen. Angedacht ist „eine Gehaltskomponente, die vom Gewinn des Unternehmens abhängt“, sowie „eine Gehaltskomponente in der Form des Übertragens von Unternehmensanteilen (oder zumindest von Optionen auf Unternehmensanteile) an eine Mitarbeiterin bzw. einen Mitarbeiter.“

Steuerschlupflöcher stopfen

Um (ausländische) Unternehmen stärker zur Kasse bitten zu können, sollen auch Digitale Betriebsstätten besteuert werden. Dadurch soll verhindert werden, dass Großkonzerne wie Google und Facebook im Inland Gewinne einfahren, diese aber wo anders mit einem mickrigen Prozentsatz versteuern.

Ein zweiter Punkt ist dieser: „Dubiose Überweisungen an Briefkastenfirmen in Steueroasen sollten schlicht und einfach verboten werden.“

3 Schlagworte als Gegenfinanzierung

Die zentrale Forderung im ÖVP-Programm ist die Senkung der Steuerquote auf 40%. Zum Vergleich: Derweil liegt sie bei 43%. Diese Senkung kostet rund 12 Milliarden Euro. Es braucht also eine dementsprechende Gegenfinanzierung. Hier ist der Kontrast zur ÖVP in früheren Wahlkämpfen am offensichtlichsten.

Waren die Schwarzen bisher der große Sparefroh unter den Parteien, ist sie diesmal ein Big Spender. Und die Gegenfinanzierung beschränkt sich auf wenige Schlagworte. Wirtschaftswachstum, Systemeffizienz und Ausgabenbremse: Diese drei Zauberworte sollen 12 bis 14 Milliarden Euro bringen. Das können sie zwar auch – zum Beispiel, wenn die Ausgabenbremse entsprechend stark getreten wird. Und das könnte bedeuten, dass es Einschnitte im sozialstaatlichen Bereich gibt. Doch das wissen wir nicht. Im Programm steht nichts Detailliertes dazu.

Weniger Bürokratie, leichtere Unternehmensgründung

Im Sinne des Bürokratieabbaus sollen Angestellte und Arbeiter rechtlich gleichgestellt werden. Der Punkt hat viele überrascht. Die Gewerkschaften, die SPÖ und auch die FPÖ fordern dies schon länger. Die SPÖ will diesen Schritt noch vor der Wahl im Nationalrat beschließen. Die ÖVP ziert sich.

Künftig soll eine GmbH auch ohne die Einlage von Stammkapital möglich sein. Die Mindest-KöSt soll abgeschafft werden. Auch das Gewerberecht will man modernisieren. Und auch hier muss ergänzt werden: Vor wenigen Monaten ist eine tiefgreifende Reform der Gewerbeordnung noch an der Blockade der ÖVP gescheitert.

KMU an die Börse!

Ähnlich wie beim FPÖ-Programm wären auch nach den Plänen der ÖVP die größten Profiteure die großen Unternehmen. Und je größer das Unternehmen, desto größer die Ersparnis laut den Kurz’schen Forderungen. Das zeigt sich nicht zuletzt an den Plänen, die explizit KMU helfen sollen. Es sollen „bessere Rahmenbedingungen für Risikokapital“ geschaffen werden und der Zugang zur Börse erleichtert werden.

Ein erleichterter Börsengang mag einigen (wenigen) KMU helfen. Doch das ist keine Unterstützung für den Großteil der Unternehmen. Wie viele Kleinunternehmen würden die Zugangshürden an die Börse als ihr größtes Problem bezeichnen?

Anders als die FPÖ fand die ÖVP in ihrem Programm Platz für EPU. Es ist ein kleiner Platz – aber immerhin. Hier wird das Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz der Regierung Kern gelobt. Der zweite Punkt ist ein sehr allgemeiner, der nicht auf EPU zugeschnitten ist. Und zwar soll eine rückwirkende Änderung von Gesetzen ausgeschlossen werden.

Fazit

Erstens: Was die Forderungen für Unternehmen angeht, ist das ÖVP-Programm nahezu ident mit jenem der FPÖ: Weniger Bürokratie für die mittelgroßen. Mehr Geld für die ganz großen. Wenig, bis gar nix für Kleinunternehmer und EPU. Der Matthäus-Effekt gilt auch hier: Wer hat, dem wird gegeben.

Zweitens: Abgesehen von Erstens sind in dem Programm Punkte, die überraschen. Einige Forderungen sind durchaus progressiv. Mitunter stehen in dem Papier Dinge, gegen die sich die ÖVP selbst, deren Landeshauptleute und die Wirtschaftskammer schon seit immer stemmen. Um es auf den Punkt zu bringen: Der größte Verhinderer vieler der von Kurz vorgestellten Pläne ist seit 30 Jahren seine eigene Partei.

Drittens: Wenn die ÖVP wollte, könnte sie einen großen Teil ihrer Forderungen schon beschließen. Das tut sie nicht. Deshalb ist dieses Programm, trotz vieler guter Punkte mit Skepsis zu betrachten. Sebastian Kurz will nicht Kanzler werden, um dieses Programm durchzusetzen – denn das könnte er jetzt schon. Er hat dieses Programm vorgestellt, weil er Kanzler werden will.

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