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Marodierende Kleinanleger: Kapitalismus Crowd-Extended

Ein Kommentar

Letzte Woche ist doch etwas Unerhörtes passiert. Der neoliberalistische Kapitalismus, in seiner Reinform des Hedgefonds wurde frontal von einer Bande marodierender Kleinanleger angegriffen, die es beispielhaft risikobereiten Short-Sellern zeigen wollen. Auf Reddit haben sie sich abgesprochen und die App Robinhood war das Instrument. Die Aktien von Gamestop, einer weltweit letztlich unbedeutenden Firma, war der Hebel. Den Leerverkäufern sollte eine Lehre erteilt werden. Die Operation ist bislang gelungen.

6 Milliarden verspielt in 3 Tagen

Tatsächlich ist es den organisierten Kleinanlegern gelungen, das Vermögen des Hedgefonds Melvin Capital innerhalb weniger Tage zu halbieren. Zeitweise musste ein anderer Hedgefond beispringen, um die Liquidität von Melvin Capital sicherzustellen und ihn vor dem Exitus zu retten. Es wurden kurz mal 2,75 Milliarden Dollar bereitgestellt. Das Vermögen von Melvin Capital ist binnen eines Monats von 12,5 Millarden auf knapp über 6 Milliarden geschrumpft. Und noch ist es nicht ausgestanden. Ergo: Man kann sich also nicht mehr ungestraft Aktien leihen, diese teuer verkaufen und dann auf fallende Kurse setzen. Billig zurückkaufen ging bei Gamestop nicht mehr, den die Crowd hat den Kurs bewusst in die Höhe getrieben. Werden die Aktien nämlich teurer statt billiger, dann wird es für den Leerverkäufer ebenfalls teurer und zwar (fast) ohne Obergrenze.

Eine Lehre für die Leerverkäufer?

Und weil nicht sein kann, was nicht sein darf, rückten Land auf Land ab Expert*innen aus, um dem gemeinen Volk zu erklären, dass sowas einfach nicht geht. Weltweit waren Kommentare zum ehrenhaften Verhalten von Hedgefonds, die sonst gerne als Heuschrecken bezeichnet werden, zu lesen und wie wichtig diese für die Börse sind. Es darf einfach nicht sein, dass die „Börsenspekulaten“ mit ihren eigenen Waffen geschlagen werden und dabei empfindlich Geld verlieren. Während die „Spekulanten“ in der Finanzkrise 2008 noch mit staatlichen Geldern gerettet wurden und ihr Vermögen bis auf wenige Ausnahmen damit bestand hatte, wurden Millionen Menschen arbeitslos und verloren nicht nur ihre Ersparnisse, sondern viel ihre Häuser und Wohnungen, nicht wenige ihre komplette Existenz.

Marodierende Kleinanleger als Kapitalismuskritiker

Nun haben sich also zig-tausende „rücksichtlose“ Kleinanleger, oftmals Nachkommen dieser „Finanzkrisenverlierer“ zusammengetan und haben das Risiko für die gierigen Hedgefonds, das bisher vor allem auf dem Papier bestand, in echte Verluste verwandelt, weil sie ein anderes Ziel haben, als nur Reibach zu machen. Dahinter steckt bei vielen dieser Kleinanleger eine Art Kapitalismuskritik und der Wunsch den „Bösen“ was auszuwischen. Nicht wenige nehmen dafür sogar in Kauf, ihr eingesetztes Kapital eventuell zu verlieren. Und natürlich sind, wie überall, auch einige Trittbrettfahrer dabei, die das große Geld bei der Rallye von Gamestop wittern.

Die Folgen sind noch nicht abzusehen, aber vielen Leerverkäufern ist die Angst nun ins Gesicht geschrieben. Manche Unkenrufer rechnen schon mit einem regelrechten Gemetzel an den Börsen und zwar nicht nur an der Wall Street. Aber warten wir ab.

Anti-Neoliberalimus als Klassenkampf an der Börse

Treffen würde es … . Ja wen würde das treffen? Die Frage ist schwer zu beantworten. Glaubt man den berufsmäßigen Börsengurus, dann hauptsächlich die Kleinanleger. Wahrscheinlich aber doch eher die Reichen und die Schönen, um es mal klassenkämpferisch zu formulieren. Die sind es, die auch in der Coronakrise immer noch reicher geworden sind, zumindest sagen das viele Statistiken. Diese Gewinnler haben erst überhaupt den Zaster, um in Hedgefonds zu investieren. Ottonormalverbraucher mit seinem Konto bei der Genossenschaftsbank Hintertupfing setzt vermutlich kaum auf Short-Selling. Und die aufgebrachte Crowd, hat sich aus vielen organisiert – viel hilft hier offenkundlich viel.

Täuschen, tarnen oder gar betrügen?

Am Samstag hat sich dann für einige überraschend noch die US-Staatsanwaltschaft eingeschalten, weil offenbar unlautere bzw. verbotene (Börsen-)Mechanismen angewendet wurden, um die Kleinanleger auszubremsen und das Großkapital zu schützen. „Unternehmen der Wall Street dürfen nicht zu ihrem Vorteil den öffentlichen Zugang zum freien Markt beschränken“, so Staatsanwalt Ken Paxton. Bricht hier offenbar jemand, der dieser Welt seit Jahrzehnten die Vorteile eines maximal freien Marktes eintrichtert, die Spielregeln und macht den Markt „unfrei“?

Eine spannende Entwicklung ist das! Zu Zeiten der Finanzkrise vor 13 Jahren noch ein undenkbarer Vorgang. In Folge dieser Krise wurde nämlich genau ein Banker verurteilt. Doch Corona hat uns auch hier einen Paradigmenwechsel gebracht. Nicht mehr das Großkapital allein bestimmt das Spiel, wie Gamestop eindrücklich zeigt – the crowd strikes back.

Warum ich das auf Unternehmerweb schreibe?

Weil es auch im Wettbewerb der KMU mit den Großen viele solche Effekt gibt. Beispiel: Viele EPU und die meisten KMU in Österreich zahlen mehr Steuern als die meisten Großkonzerne, die in Österreich tätig sind. Es wäre vielleicht an der Zeit, sich als KMU-Crowd zu sammeln und sich gegen die „Leerverkäufer“, von Off-Shore bis Gewinnverschiebung, der multinationalen Konzerne zu organisieren. Der Zeitpunkt wäre nicht der schlechteste. Und Reddit gibt es auch in Österreich. 😉

 

 

 

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