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Klappe „Digitalisierungsoffensive“ – die 300ste

Zum gefühlten 300sten Mal wurde Anfang März eine Digitalisierungsoffensive präsentiert. Hat sich doch Österreich seit Ende der 1990er vom Spitzenreiter zum Sorgenkind in Bezug auf  die Zugangsgeschwindigkeit im Internet entwickelt. Noch ist Glasfaser hierzulande für viele KMU und die meisten Privaten reine Zukunftsmusik, die selbst in Wien für KMU vielerorts faktisch unbezahlbar ist. Ausgenommen man gehört zu den wenigen Glücklichen, bei denen das Glasfaser schon im Haus liegt. Ein Blick nach Japan zeigt, dass dort seit Anfang des 21. Jahrhunderts Glasfaseranbindungen in den Ballungsräumen in privaten Wohnungen zur Standardausstattung gehören.

Corona legt eine schmerzhafte Realität offen

Die Pandemie hat leider einigen (oder vielen?) schmerzhaft vor Augen geführt, dass Homeoffice eben nicht immer so einfach durchführen ist, auch weil es oft bei den Verbindungen hakt. In einem Land, wo die Regierung selbstzufrieden verkündet, das 99% über eine Grundversorgung mit Internet verfügen. Aber Grundversorgung genügt schon lange nicht mehr im globalen Wettbewerb.

15-19 Mbit/s sind zu wenig!

War Österreich Ende der 1990er Jahre noch eine weltweite „Musterkolchose“ in deren Early Adopter Markt führende globale Anbieter ihre Produkte und Dienstleistungen testeten, so sind wir heute im hinteren Drittel in der EU platziert, wenn es um die Geschwindigkeit von Internetanbindungen geht. Während in Norwegen, Dänemark oder den Niederlanden 2019 eine durchschnittliche Internetanbindung von 40-55 Mbit/s zur Verfügung stand, lag diese in Österreich bei 15-19 Mbit/s (Quelle: cable.co.uk – M-Lab). Damit liegen wir zum Teil deutlich hinter unseren ehemaligen „Ostblocknachbarn“ wie der Slowakei oder Ungarn.

Anspruch und Wirklichkeit

„Jetzt geht es darum, nicht nur die Geschwindigkeit spürbar zu erhöhen, sondern auch um verlässliche, stabile Netze und entsprechende Applikationen“, war der Presseaussendung zur Veranstaltung der Digitalisierungsoffensive zu entnehmen. Diese Aussage bestätigt leider die Tatsache unseres Rückstandes. Dr. Klaus M. Steinmaurer, Geschäftsführer der RTR für den Fachbereich Telekommunikation und Post, dazu in einer Presseaussendung von Anfang März 2021: „Nur durch eine Bündelung aller Kräfte können wir das Ziel erreichen, Österreich bis 2030 flächendeckend mit leistungsfähigen Breitbandanschlüssen zu versorgen“

Vorbild Japan

Japan hatte schon 1999 begonnen eine Offensive für FTTH (Fibre to the home) zu starten. Der Durchbruch gelang in den beiden Ballungsräumen Tokio und Osako im Jahr 2001. 2008 meldete das japanische Ministerium für Innere Angelegenheiten, dass mit 13 Millionen Glasfaseranschlüssen nun mehr Haushalte mittels Glasfaser angebunden waren als mittels DSL-Technologie. Eine Gbit/s Anbindung ist mittlerweile in Japan die Regel und nicht die Ausnahme.

Aus: https://op.europa.eu/webpub/eca/special-reports/broadband-12-2018/de/

Die letzte Meile fehlt

Aus eigener Erfahrung von 2020 kann ich sagen. Liegt keine Glasfaser im Haus und muss gegraben werden, dann wird es richtig teuer. Grabungsarbeiten sind erstens sehr teuer und Gbit-Internet bedeutet bei vielen Anbietern einmal 100 Mbit/s. Die Empfehlung unseres IT-Spezialisten für eine symetrische 150-300 Mbit/s Anbindungslösung lautete dann auch: Richtfunk – und das mitten in Wien! Die Kosten dafür waren für den Richtfunk mit gut 700 Euro pro Monat kalkuliert und das ohne Flatrate! Altbau kann so zur unüberwindlichen Hürde werden. Grabungsarbeiten, auch wenn das Kabel um die Ecke liegt, um die Leitung im Büro zu haben, kosten knapp 10.000 Euro!

Der österreichische Weg – schönreden.

Tempo 150 auf ausgesuchten Autobahnstücken war wohl bis dato wichtiger als Download- und Upstream-Geschwindigkeit? Sonst ist es kaum erklärbar, dass für den Breitbandausbau nicht einmal 200 Millionen Euro pro Jahr seit 2015 zur Verfügung stehen. Ein Vergleich: für den Straßenbau wurde im selben Zeitraum rund 1,0 Mrd. Euro pro Jahr ausgegeben. Und noch ein Vergleich, der wirklich schmerzhaft ist: Alle Regierungs- und öffentlichen Stellen, die dem Transparenzgesetz unterliegen, haben letztes Jahr mehr als 200 Millionen allein für Werbung ausgegeben und damit mehr, als für die Breitbandoffensive zur Verfügung stand. Propaganda, könnte man fast meinen, kommt derzeit vor Wettbewerbsfähigkeit.

 

 

 

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